10.12.15: Thilo Seibel

Fußball spielt man besser auf dem Mars

Schonungsloser politischer Jahresrückblick mit Thilo Seibel in Lantershofen

In einer solch schnelllebigen bereits Anfang Dezember einen Jahresrückblick zu präsentieren, ist gewagt. Das wußte auch Thilo Seibel, der dennoch am Donnerstag bei Kulturlant e.V. in Lantershofen die Dinge, die die Menschen 2015 bewegten, den rund 100 Gästen noch einmal vor Augen führte – zunächst als zusammenfassendes Gedicht, dargebracht in Rap-Form, dann detailliert. „Es ist noch viel Jahr übrig“, machte Seibel klar, um dann zurück zu blicken. Und das schonungslos und mit Blicken hinter die Kulissen. „Was mir nicht gefällt, lasse ich einfach weg. So wie eine gute Nachrichtensendung im Fernsehen“, zog Seibel die Massenmedien durch den Kakao.

Was das Jahr brachte, war überwiegend schwere Kost und es war gar nicht so einfach, diese locker rüberzubringen, ohne die Inhalte zu verwässern. Seibel sprach mit Blick auf den IS-Terror davon, dass es nicht „um die Islamisierung des Abendlandes gehe, sondern eher um die waffenmäßige Germanisierung des Morgenlandes.“ Überall werde mit deutschen Waffen gekämpft. Die Folge seien die großen Flüchtlingsströme. Seibels Empfehlung an Europa: einfach denen, die vor allem in Osteuropa nicht bereit seien, Flüchtlinge aufzunehmen, die EU-Gelder, Zuschüsse und Förderungen streichen. Dafür gab es jede Menge Beifall. Dass die Flüchtlingssituation und der Umgang damit das Ansehen Deutschlands in der Welt positiv beeinflusse, könne schon bald wieder vorbei sein. Stichwort AfD: „Nicht nur die Angler grüßen sich mit Petri Heil“, so der Kabarettist zu diesem Thema.

Themen, die gerade erst ein paar Monate zurückliegen und dennoch aus den Köpfen sind, brachte Thilo Seibel in eben diese zurück. Griechenland und die Finanzkrise zum Beispiel. Eine Folge hierzulande: CDU-Mann Wolfgang Bosbach schien im Fernsehstudio bei Anne Will eingezogen zu sein. Und warum müsse Griechenland seine lukrativsten Flughäfen verkaufen, noch dazu an ein deutsches Unternehmen, das dem Staat gehöre? „Weil man selber keinen Flughafenbau hinbekommt“, so die Antwort. Überhaupt hatte Seibel so manchen Politiker im Visier, bezeichnete den teuren G7-Gipfel im Sommer in Bayern als ergebnislose „Butterfahrt für überbewertete Flachstruller“ und sah in Andrea Nahles die größte Nervensäge des Kabinetts.

Und was brachte der Sport? Skandale. Daher verlas Seibel auch eine jahreszeitabhängige Geschichte und nannte sie „Das Sommermärchen.“ Die Moral von der Geschicht‘: Blatters Vorschlag umsetzen, Fußball künftig auf dem Mars zu spielen. Hierzulande mache es ja keinen Spaß mehr. Denn Zusammenhänge zwischen einer Fußball-WM sowie anderer sportlicher Weltereignisse in Katar und der Lieferung von Waffen an dieses Land schienen nicht aus der Luft gegriffen. Das macht der Wahl-Kölner klar.

Ebenfalls nicht verschont blieb die Wirtschaft. Einblicke ins Freihandelsabkommen TTIP gebe es so gut wie keine, auch nicht für Abgeordnete des Europaparlaments. Begründung: sie könnten die Inhalte ja ihren Regierungen verraten. Und sonst? Die Autoindustrie bescheißt kollektiv und die Commerzbank tut gleiches mit genau dem Staat, von dem sie während der Bankenkrise acht Milliarden Euro erhalten hat. Zum Schluss gab es Statistisches, Jubiläen etwa, wie 40 Jahre Farbfernsehen oder 20 Jahre Klonschaaf Dolly. Rücktritte, wie die von Blatter, Jauch oder Gregor Gysi. Schließlich die Vorschläge zum Zitat des Jahres, Sieger könnte eines von Armin Latschet zu dessen verlegter Klausuren gegenüber der Presse sein: „Ich könnte ihnen das erklären, ich mache es aber nicht.“

21.11.15: Zeltinger Band

Asi mit Niveau, aber ohne „Tuntensong“

Laut, rockig, kultig: „Zeltinger Band“ begeisterte in Gelsdorf

Kölsch-Rock vom Feinsten, irre laut und vor einer eingeschworen Fangemeinde, das gab es am vergangenen Samstag im Gelsdorfer Bürgerhaus zu erleben: „Zeltinger“ war da! Eingeladen hatte der Grafschafter Verein „Kulturlant e.V.“, der das Konzert zum Abschluss einer Reihe mit verschiedenen Kölsch-Bands präsentierte. „Schwätzt Ihr he och kölsches Platt“, fragte der schwer übergewichtige Frontmann der gleichnamigen Kölner Rockband sein Publikum, das begeistert zustimmte. Der Bandleader konnte es kaum glauben, zumal sich seine Konversation mit dem Publikum ansonsten in einem recht oberflächlichen Rahmen bewegte. „Hal die Fress“, war da beispielsweise die Antwort auf die Forderung nach einem seiner Songs. Dafür ging es musikalisch im wahrsten Sinne des Wortes ab. Ein wie immer „mittelmäßig“ gelaunter Jürgen Zeltinger, der sich gerne auch als „Zornesausbruch der Natur“ sieht, lief wieder einmal zu großer Form auf. Dabei hatte der Alt-Rocker doch allen Grund, nervös zu sein, wie er offen zugab. Denn sein etatmäßiger Schlagzeuger Robbie Vondenhoff war wegen einer Operation ausgefallen. Ihn ersetzte Charly Terstappen, der als Drummer schon für Marius Müller-Westernhagen und The Lords unterwegs war, allerdings mehr als gleichwertig, auch wenn man nur einmal gemeinsam geprobt hatte. Charlys Solo am Ende des Konzerts stahl den Bandkollegen inclusive Zeltinger förmlich die Schau.

Aber zurück zum Anfang: das Publikum im Saal wurde zunächst einmal mit AC/DC-Musik aus der Konserve beschallt, ehe die Band mit viertelstündiger Verspätung zu den Klängen ihres eigenen Hits „Kölsche Jonge“ auf die Bühne stolzierte. Wer nun dachte, dort kämen in erster Linie die Songs vom aktuellen Album „Die Rückkehr des Retters“ zu Gehör, irrte. Zeltinger-Fans wollen eigentlich immer nur eines: die alten Kult-Hits hören. Und die bekamen sie. Gleich zum Auftakt im Medley drei Songs mit den vielsagenden Titeln „Frittebuud“, „Leck mich“, und „Bekloppt“, dann hieß es erst einmal durchatmen und begrüßen. Den „Tiger“ brach der Altrocker persönlich ab, weil er wohl nicht so ganz bei der Sache war: „Ich hann mich verdohn, do seht ihr, dat dat live ess.“ Klar, dass die Gäste ihm das nicht übel nahmen. Fortan war es ein Mix aus Hits und Sprüchen, die das Publikum, das teilweise mehr als 200 Kilometer angereist war, in Wallung brachte. Es kam die Zeit der Klassiker, „Asi mit Niveau“ oder „Sozialamt“, „Mallorca“ oder der „Panzerfahrer.“ Ruhige Klänge beim schwulen Geständnis „18 Jahr“ und dem „Waade op ne Fründ.“ Der erst 24 Jahre alte Gitarrist Dennis Kleimann, mit dem Zeltinger auch als Duo unterwegs ist, durfte ebenfalls ans Mikro und bewies bei „Unvermittelbar“ sein großes Talent. Auf den „Tuntensong“ verzichtete Zeltinger, möglicherweise, weil ein Fan, der das Kultlied früh forderte, für den Strip auf der Bühne als Gegenleistung nicht zu gewinnen war.

„Tschüss“ hieß es dann nach etwas mehr als einer Stunde lautem und kultigem Kölsch-Rock. Aber da fehlte doch noch etwas? Die größten Hits hatte sich die Band für die beiden Zugaben aufgehoben. Und dann grölte der ganze Saal zu „Wandersmann“, zur eingekölschten Version des Ramones-Titel „Rockaway Beach” („Müngersdorfer Stadion”) und natürlich zur Musik von Lou Reeds „Walk On The Wild Side” mit dem kölschen Text „Stüverhoff”, Zeltingers größtem Hit. Dann war Zeltinger, von Fans und Freunden wegen der fehlenden Haarpracht liebevoll nur „De Plaat“ genannt, sichtlich platt und verzog sich in seine Garderobe, während seine Fans noch eine ganze Zeit davor ausharrten, um vielleicht noch ein Foto mit ihm ergattern zu können.

07.11.15: Bernhard Hoëcker

Bernhard Hoëcker’s interessante Umfragen und Meinungen

Comedian und TV-Star wurde in Lantershofen gefeiert

Einen äußert amüsanten und auch lehrreichen Abend erlebten die Fans des oftmals als Philanthropen bezeichneten Bonner Comedian Bernhard Hoëcker am Samstagabend bei Kulturlant e.V. in Lantershofen. Im seit Monaten ausverkauften Gastspiel „Bei mir liegen sie richtig falsch“ verstand es Hoëcker, der durch seine Auftritte in verschiedenen TV-Formaten bundesweit bekannt wurde, seinen Gästen durch vielfältige Hinweise klar zu machen, wie oft sie doch im Leben bewusst oder unbewusst mit ihrem Tun und den Gedanken über dieses tun falsch liegen. Zur Verbreitung seiner Lehren machte Hoëcker es sich einfach, kein Stuhl, kein Tisch, kein einziges Requisit war auf der Bühne zu sehen. Lediglich ein Ersatzmikrofon stand dort, wo der nicht sonderlich große Comedian umherwirbelte. Dafür hatte er aber eine riesige Leinwand aufbauen lassen, auf der er seine Erkenntnisse untermalen ließ und auf der sein Techniker die Aussagen, die Hoëcker dem Publikum entlockte, blitzschnell zu Bildern mit Infos aus der großen Welt des Internets verarbeitete. Überhaupt war die Kommunikation mit den Gästen im Saal ein zentraler Punkt des zweieinhalbstündigen Programms, bei dem sich der Mann auf der Bühne erst einmal einzuschmeicheln versuchte: „Ich war grad in Erfurt, am Bodensee und in Worms und bin froh, wieder in einer Gegend zu sein, wo die Leute vernünftig sprechen.“ Das wollten eben jene Leute im Saal hören und das weiß der Bühnen erfahrene Comedian, der seine ausgesprochene Abneigung gegen Bayern blitzschnell revidierte, als feststand, dass auch Bajuwaren im Winzersaal saßen.

Der Abend dort war ein großer Kommunikationstreff mit dem Publikum, das via Smartphone an Umfragen teilnehmen konnte, deren Ergebnisse dann an der Videowand präsentiert und anschließend diskutiert wurden. Zumindest hatte es den Eindruck, denn als Hoëckers weltbewegende Frage, ob man in der Pause die öffentliche Toilette vorne, in der Mitte oder im hinteren Bereich nutzte und drei Prozentzahlen aufleuchteten, klärte ihn eine Besucherin auf, dass es nur zwei Toiletten im Winzerverein gebe. Waren die Umfragen möglicherweise manipuliert? Hoëcker klärte nicht auf, er erklärte stattdessen, dass Fingerzeige in der Welt unterschiedliche Bedeutungen haben, „Daumen hoch“ sein beispielsweise in der Türkei eine Beleidigung. Aha. Hoëcker referierte über richtige und falsche Wahrnehmungen. Es gebe beispielsweise unter den Reliquien in der christlichen derart viele Nägel vom Kreuz Christi, dann man annehmen müsse, der sei ans Kreuz getackert worden. Die meisten der Nägel seien demnach nur Kontaktreliquien, weil sie vielleicht mit einem echten Kreuznagel in Kontakt kamen. Sie „wunderheilen“ aber auch nicht richtig: „Ein Lahmer wird wieder gehen können, zieht aber ein Bein nach“, so Hoëcker anschaulich. Der Comedian referierte über Fehler, die das Gehirn mache, wenn es mit komplexen Kommunikationen konfrontiert werde. So zeige der Statistikverlauf eine Übereinstimmung zwischen der Zahl der Scheidungen im US-Bundesstaat Main und dem Pro-Kopf-Verbrauch an Margarine in den USA. Hoëcker ließ noch den ein oder anderen Lapsus diesseits und jenseits des göttlichen Horizonts auf der analytischen Zunge zergehen, enttarnte die aberwitzigsten Wahrnehmungsverzerrungen und schreckte noch nicht einmal davor zurück, der Evolution am Beispiel der Giraffe ihre Fehler vorzuhalten. Das Publikum in Lantershofen, wo der Comedian ein ums andere Mal das Landleben auf die Schippe nahm, hatte jedenfalls seine helle Freude.

31.10.15: Jukeboxparty

Tanzen bis die Füße qualmen

Lantershofen erlebte zum vierten Mal die „Jukeboxparty“

jukeboxWas drei Mal stattfindet, ist im Rheinland Tradition. Schon zum vierten Mal machte am letzten Oktoberabend die „Jukeboxparty“ in Lantershofen Station. Hinter dem Label des Mayener Discjockeys Johannes Held, der auch beim Südwestrundfunk moderiert, steckte ein Tanzabend mit einer breit gestreuten musikalischen Vielfalt: jede Menge Oldies, aber auch aktuelle Hits und sogar Schlager. Alles getreu dem Motto: „Hauptsache tanzbar.“ Gespielt wurde, was das Publikum hören wollte, Musikwünsche wurden gerne entgegen genommen. Von denen bekam der gebürtige Bonner Johannes Held am Mischpult hinter seiner überdimensionalen Jukebox wieder jede Menge zu hören. Denn der Saal des Lantershofener Winzervereins war einmal mehr proppevoll. Also gab es gleich zum Start mit der Titelmelody des Kultfilms „Dirty Dancing“ einen der größten Kinohits überhaupt zu hören. Es war der Wunsch von Michael aus Hessen, der erstmals die Party in Lantershofen besuchte und der am Ende ebenso begeistert war, wie die zahlreichen Jukeboxparty-Dauergäste, die bis tief in die Nacht aus dem Boden des altehrwürdigen Winzervereins eine große Tanzfläche werden ließen.

Klar, dass in Lantershofen neben den Hits von Abba, Boney M. oder härteren Tönen von AC/DC auch Helene Fischer ihren Platz fand. Der Mix machte den Abend aus. „Es ist aber auch Musik dabei, die man zwar noch kennt, aber nicht alle Tage zu hören bekommt“, verriet Johannes Held. Die immer volle Tanzfläche bewies: das Konzept mit dem Mix aus sanften und rockigen Tönen kam an. Selbst ein „eingestreuter Walzer“ vertrieb niemanden aus dem Saal. Im Gegenteil.

„Jukeboxparty“ ist ein eigenständiges Label, mit dem Johannes Held seit dem Jahr 2002 durch die Lande zieht. Mehr als 200 Mal hat er sein aufwändiges Konstrukt, dass an eine riesige Musikbox erinnert, wie sie einst in jeder Kneipe stand, schon aufgebaut. Einen ganzen LKW an Material brachte das Team am Samstagmittag nach Lantershofen. Das Herzstück ist die Beschallungsanlage. „Das wichtigste ist eine gute Soundanlage, die die Musik angenehm laut wiedergibt“, so Held. Die „Lightshow“, für deren Steuerung der Discjockey einen eigenen Lichttechniker einsetzt, fördere den Stimmungsfaktor im Saal. Hier verwendet die Jukeboxparty modernste Effekte bis hin zu simulierter Pyro- oder Lasertechnik.

Mit „Halloween“ hatte der Abend übrigens nichts zu tun: „Dieses Event ist keine Halloween-Party, sondern eine Ü30-Disco“, machte Held deutlich. Und so zog es am Samstag auch keine maskierten Gäste nach Lantershofen, wo der Verein Kulturlant e.V. Veranstalter der Party war. „Eine tolle Veranstaltung für alle, die gerne tanzen oder einfach nur noch einmal die Musik aus früheren Tagen hören wollen“, so eine Besucherin, als wieder einmal einer der „größten Hits aller Zeiten“ angestimmt wurde.

30.10.15: Jeckediz

Rheinische Musik mit ganz viel Herz

„Jeckediz“ präsentierten ihr Jahreskonzert dieses Mal in Lantershofen

Sie bezeichnen sich selbst als „extrem südliche Kölsche Band.“ Jeckediz, die vierköpfige Formation aus Bad Neuenahr Arbeiter, ist seit einigen Jahren im rheinischen und insbesondere im Kölner Karneval musikalisch aktiv. So, wie viele Künstler aus dem großen Umfeld der Domstadt, gehört das Quartett mittlerweile zu denen, die in der fünften Jahreszeit in schöner Regelmäßigkeit durch Hallen, Säle oder Festzelte rund um Köln tingeln, um dort die Narren zu begeistern. Rund 35 Auftritte sind es in der Session ab Januar bis zum Aschermittwoch, so Jeckediz-Gründungsmitglied Andreas Hoss. Dazu gesellen sich die Termine rund um den 11. November, wenn Karnevalseröffnungen und Proklamationen anstehen. Für eine so junge Band ist das schon eine ganze Menge. Einmal im Jahr laden Hoss, Dirk Schoenmakers, Michael Ley und Thomas Gorba dazu zum so genannten Jahreskonzert ein. Das fand vergangenen Samstag erstmals im Saal des Lantershofener Winzervereins beim Grafschafter Verein Kulturlant statt. Knapp 200 Gäste feierten dort eine dreistündige Party mit Songs von Jeckediz, aber auch jeder Menge anderer Kölner Musikgrößen. Etwa ein Drittel eigene Lieder und zwei Drittel gecoverte Stücke präsentierte das Quartett, dass in Lantershofen zum Sextett wurde. Sebastian Steffens am Bass und Thomas Gießen am Keyboard verstärkten die Band bei diesem Event. Bei einem halben Dutzend ihrer Songs stand zudem Konstanze Kottmann als Gastspielerin mit auf der Bühne.

Das Motto des Abends lautete „Jeck met Hätz“, damit wollte die Formationen zum Ausdruck bringen, dass sie nicht nur reine Karnevals taugliche Songs zum Besten geben, sondern auch Balladen und so manch nachdenkliches Lied in Kölner Mundart zum Repertoire zählen. Den Schwerpunkt aber bildeten natürlich die Stücke, die das Publikum zum mitklatschen, mitsingen und -tanzen animierte. Immer wieder erhoben sich die Gäste von den Stühlen, auf denen sie einfach nicht zu halten waren. Das ging schon los, als Jeckediz ihr neuestes Stück darbrachten und dabei klar machten: „Mir sinn jeck, äwwe jeck met Hätz.“ „Hück don mer fiere“ war gleich darauf die musikalische Einladung ans Publikum, eine große Party zu feiern. Aktuelle Hits derzeit angesagter Kölner Formationen, wie Kasalla oder Cat Balou folgten. An den Tischen und auf den Stühlen steigerte sich die Stimmung von Minute zu Minute. Selbst die immer wieder eingestreuten ruhigen Songs, wie „Du bess die Stadt“ oder „Heimat ess“ taten dem keinen Abbruch. Im Gegenteil: schnell hatte sich ein großer, 200-köpfiger Chor gemeldet, der sich als recht textsicher erwies.

Drei Stunden lang dauerte das Jahreskonzert, bei dem weder die FC-Köln-Hymne „Mir stohn zo dir“, noch der Klassiker „Ich bin ne kölsche Jung“ von Fritz Weber fehlten. Auch der aktuelle „Kölsche Jung“, mit dem Brings seit zwei Jahren jeden Saal rocken, fehlte nicht. Am Ende zeigten sich sowohl Jeckediz, als auch das Publikum zum einen begeistert, zum andern bestens eingestellt für die anstehenden närrischen Tage.

24.10.15: MAM spielt BAP

Verdammt nah am Original

„MAM live“ erinnerten in Lantershofen an das BAP-Konzert vor 21 Jahren

Es war schon kurz vor Mitternacht am Samstagabend, da erklangen im Saal des Lantershofener Winzervereins immer noch die Hits der Kölsch-Rocker von BAP. Dreieinhalb Stunden lang hatte die Kölner Formation „MAM“ Musik aus den ersten Jahren der Kultband BAP zu der Zeit bereits dargebracht. Vor zehn Jahren hatte sich diese erste BAP-Cover-Band gegründet. Damals war Sänger Klaus Drotbohm musikalisch auf Geburtstagen unterwegs, um BAP-Songs darzubieten. Weil Drotbohms Stimme der von Wolfgang Niedecken, dem Sänger der so erfolgreichen Kölner Rockband täuschend ähnlich war, entschloss man sich mit weiteren Musikern zur Gründung einer Coverband. Seither ziehen MAM durch die Lande, um dem musikalischen Werk ihrer Vorbilder zu huldigen. Zum zehnjährigen Jubiläum war die Band nun beim Verein Kulturlant zu Gast. Dabei brilliert MAM nicht nur durch die beinahe identisch klingende Stimme ihres Sängers, sondern auch durch die von Konzert zu Konzert lang anhaltende Spielfreude. In Lantershofen entließ MAM seine Fans erst nach dreieinhalb Stunden in die Nacht. Vorangegangen waren 29 Hits aus den ersten Jahren von BAP. Dabei erwies sich das Publikum als äußerst textsicher.

Viele der Besucher waren schon 1994 dabei, als BAP höchstpersönlich in Lantershofen zu Gast waren, um sich seinerzeit musikalisch auf eine anstehende Deutschlandtournee vorzubereiten. Damals entstand auch ein Foto, das seither im Booklet der CD „Wahnsinn“ zu sehen ist. Kein Wunder dass der erste Weg der Coversänger zu eben jener Stelle führte, an der seinerzeit das Foto geschossen wurde. Klar auch, dass es das Motiv nun auch mit den Musikern von MAM gibt. Die achtköpfige Band rockte dann am Abend, ebenso wie ihre großen Vorbilder, den Lantershofener Winzerverein. Beginnend mit dem Anti-Karnevals-Song „Nit für Kooche“ war Hit auf Hit aus den Anfangsjahren von BAP zu hören. „Zehnter Juni“ oder „Ne schöne Jrooß“, „Nemm mich mit“ oder „Denn mir sinn wieder wer.“ Rockige Nummer wie „Drei Wünsch frei“ wechselten sich mit ruhigen Stücken wie der Ballade vom Kriegsveteranen „Jupp“, der seine Erlebnisse nicht verarbeiten konnte, oder dem verrückten Mädchen „Lisa“ ab. Der „Müsli-Man“ fehlte ebenso wenig wie der „Waschsalon“ oder das Liebeslied „Du kanns zaubere.“ Im Doppelpack gab’s die beiden wohl erfolgreichsten Single-Auskopplungen „Verdammt lang her“ und „Kristallnaach“, wobei Klaus Drotbohm den Text des vor 32 Jahren entstandenen Songs „Kristallnacht“ angesichts brennender Flüchtlingsheime als gerade in der heutigen Zeit hoch aktuell bezeichnete. „Wir stehen voll hinter der Aussage des Liedes“, so der MAM-Sänger. BAP äußerten sich immer wieder politisch und legten den Finger oft genug in die Wunde, MAM steht ihren Vorbildern dabei in nichts nach. Nach mehr als drei Stunden Kölschrock gab es dann die erste von insgesamt sechs Zugaben, am Ende hörten die Besucher noch die Ballade „Sendeschluss“ über die 15-jährige Kerstin auf ihrer Flucht aus dem Alltagstrott. Mit diesem Stück aus dem Album „Zwesche Salzjebäck un Bier“ war dann auch für MAM Sendeschluss eines fulminanten Cover-Rock-Abends.

06.09.15: Volker Weininger

“Im Land der Dichter, Denker und Sitzenbleiber”

Kabarettist Volker Weininger zeigte sich in Lantershofen schonungslos

Beim Grafschafter Verein Kulturlant e.V. hat am vergangenen Donnerstag die neue Spielzeit begonnen. Dabei erlebten knapp 140 Besucher die Vorpremiere des neuen Programms “Bildung. Macht. Schule” des Bonner Kabarettisten Volker Weininger. Weininger, der gerade dem rheinischen Publikum aus seiner Rolle des angetrunkenen Sitzungspräsidenten bekannt ist, startet in diesen Tagen sein zweites Kabarettprogramm, in dem er sich explizit mit dem Bildungssystem in Deutschland beschäftigt und dabei schonungslos den Finger in jede sich zeigende Wunde legt. Dabei hält er keineswegs nur den Pädagogen den Spiegel vor. Weininger rechnet mit all den ab, die in irgendeiner Weise mit dem Bildungssystem in Berührung kommen. Das ist beinahe jeder im Staat, außer den 4,2 Millionen Analphabeten. Aber die werden ja bald eingeschult und dürfen sich dann ebenfalls als Teil des Kabarettprogramms fühlen.

Dass Deutschland als eines der wenigen Länder eine Schulpflicht hat, hat seine Gründe: “Der Staat verbietet den Hausunterricht, damit keiner merkt, was in der Schule so alles schief läuft”, so der Kabarettist zum Auftakt. Er berichtet vom Lehrerehepaar: er ausschließlich Sportlehrer und damit auf der nach oben offenen Eierschaukelskala ganz vorn; sie ebenfalls Sportlehrerin mit einem Zweitfach, nämlich dem “textilen Gestalten.” Für Weininger ist das der Nachfolger der Prügelstrafe, das “Waterboarding” der Pädagogik. Auf der anderen Seite die übervorsichtigen Eltern, die ihren Behütungsmarathon für Einzelkinder ausleben: Kettcar mit Stützrädern, Wattebausch am Geigenbogen oder mit Fahrradhelm auf der Schaukel. Und diese Kinder werden mit 10 Jahren selektiert: Gymnasium, Realschule, Hauptschule. Wer soll das entscheiden? Eltern oder Lehrer? Beides ist falsch im Land der Dichter, Denker und Sitzenbleiber.

Weininger ist längst dabei, seinen Rundumschlag weit über die Pädagogik auszudehnen. “Warum verdient der Pfleger einer Software mehr, als der Pfleger eines Menschen?” Was läuft falsch in unserem System, fragt er sich. “Ist es korrekt, dass die Putzfrau mit ihren Steuergeldern ein Zahnarztstudium finanziert.” Da geht der Kabarettist doch lieber in die Christmette, buht die Kinder beim Krippenspiel aus und holt sich den Eintritt aus dem Klingelbeutel zurück. Schließlich muss doch heute alles optimal laufen und funktionieren, was beim Krippenspiel nicht der Fall war.

Zweieinhalb Stunde heizte der Bonner, der schon für sein erstes Kabarettprogramm “Euer Senf in meinem Leben” mit zahlreichen renommierten Preisen ausgezeichnet wurde, dem Publikum in Lantershofen ein, dabei testete er alleine im ersten Abschnitt rund 75 Minuten, was beim Auditorium ankommt, was nicht. Nicht jeder Gag, der bei einer Vorpremiere zu hören ist, schafft es auch ins Programm. Aus dem Vorgetragenen etwas zu streichen, dürfte Weininger allerdings schwer fallen, keine Pointe fiel durch, Ironie und Bissigkeit kamen an und auch nach zwei langen Halbzeiten verlangte das Publikum noch nach einer Zugabe. Für die zog sich Volker Weininger das rote Sakko um und setzte die Narrenkappe auf, um als Sitzungspräsident noch einen Einblick in sein Karnevalsprogramm zu geben.

06.06.15: Markus Krebs

Kneipenwitze im Sekunden-Takt

Kulturlant: Comedian Markus Krebs trifft die Lachmuskeln des Publikums in Leimersdorf

20150607_markreb4Nach dem großen Andrang im vergangenen Jahr in Lantershofen hatte der Grafschafter Verein „Kulturlant“ Comedian Markus Krebs ein zweites Mal zur Vorstellung seines Programms „Hockerrocker“ eingeladen. Knapp 180 Gäste im Haus des Dorfes in Leimersdorf dürften sich dabei einen gehörigen Muskelkater im Bauch zugezogen haben. Irgendwie sprach der Duisburger Krebs nicht nur aus seinem Leben, sondern auch so manchem Gast aus der Seele. Krebs‘ Leben findet eigentlich in einer Duisburger Kneipe namens „Oase“ statt und eben über dieses Leben berichtet er in seinem zweiten Soloprogramm, mit dem er derzeit erfolgreich durch Deutschland tourt und dabei überall auf volle Hallen und Säle trifft. Markus Krebs ist damit nicht nur der ungekrönte König des Kneipenwitzes, er haut die meist kurzen Gags auch im Sekundentakt und zu Hunderten am Abend raus. Witze erzählen will gelernt sein, Krebs hat es drauf und verliert auch den roten Faden nicht, obwohl er immer wieder ausholt und die Charaktere um ihn herum ausgiebig zu beschreiben weiß, insbesondere die seines Kegelclubs „KC Udo zahlt alles“, die beim Kegeltour-Ziel zwischen der Reeperbahn und den Trombosetagen in Boppard wählen konnten.

Und zwischendurch fällt dann mal ein Gag, den man so gar nicht erwartet hätte. Wie die Frage des Richters in Grönland: „Angeklagter, wo waren Sie in der Nacht vom 18. November auf den 16. März?“ Spontane Tipps fürs Leben gab es ebenfalls: „Ich hab den Sternsingern den Müll mitgegeben, da war der auch weg.“ Oder: „Meiner schwangeren Frau habe ich geraten, frischen Orangensaft zu trinken, da gewöhnt man sich schon mal ans pressen.“

Zurück zum Kegelclub mit seiner Tour und Gags, die laut Krebs für eine „Gänsehautentzündung“ sorgten. Da gab es im Reeperbahn-Hotel erst einmal eine Tetanusspritze zur Begrüßung, Frühstück war dort ab 15 Uhr erhältlich. Zwischendurch gab es aber auch Zitate aus Krebs‘ neuem Heimatroman „Zu Hause ist, wo der Schlüssel passt.“ Aus seinem ersten Bühnenprogramm mit in die aktuelle Hockerrocker-Show gerettet hat sich zudem sein Kumpel, der „Vollpfosten“, der jetzt im Knast sitzt, weil er Reinigungs-CD’s gebrannt hat. Er mußte für so manchen Gag herhalten, zumal er feststellte: „Wenn man sein Ohr ganz leicht auf eine heiße Herdplatte drückt, kann man riechen, wie blöd man ist.“ Obwohl der Vollpfosten sich ja eigentlich nur von „Ping-Gerichten“ ernährt, also aus der Mikrowelle.

Sollte die Kneipe einmal als Witz-Reservoir versagen, hat der Hocker-Rocker schon eine neue Quelle aufgetan: das Publikum wird um seine Lieblingswitze gebeten, die werden Teil des Programms und bewertet. In Leimersdorf „J.J.J. aus Fritzdorf“, dem das Publikum den meisten Applaus für seinen Witz spendete. Immerhin gab es als Preis eine DVD mit dem Programm von Markus Krebs.

10.05.15: Gerda & Walter

Herrliche Dialoge von Gerda und Walter

Rheinhessisches Theater bei Kulturlant in Lantershofen begeisterte

Mit Stützstrümpfen und Strohhut: Gerda und Walter nach ihrer Rückkehr vom Billigflug-Urlaub in Lissabon. Foto: Gausmann.
Mit Stützstrümpfen und Strohhut: Gerda und Walter nach ihrer Rückkehr vom Billigflug-Urlaub in Lissabon. Foto: Gausmann.

„Sie werden heute Abend sehen, wie es bei einem typischen rheinland-pfälzischen Ehepaar zugeht. Haben Sie eigentlich von zuhause nicht genug davon?“ Worte, mit denen der Musiker Frank Golischewski am Sonntagabend das Publikum im ausverkauften Saal des Lantershofener Winzervereins begrüßte. Dort stand Theater auf dem Spielplan, eingeladen hatte der Verein Kulturlant. Golischweski Rolle war die des Radios in der Wohnung von Gerda und Walter, eben jenem typischen Ehepaar, das sich in jeder erdenklichen Situation „kabbelte“, jede Mücke zum Elefanten werden ließ, wobei herrliche Dialoge entstanden. Durch den rheinland-pfälzischen Sender SWR4 bekannt geworden, treten Gerda und Walter rund ein Dutzend Mal pro Jahr auf Bühnen im Land auf. Hinter „Walter“ steckte der Mainzer Karnevalist Norbert Roth, aus dessen Feder die Sketche des Duos stammen, „Gerda“ wurde verkörpert von der Schauspielerin und Kabarettistin Alice Hoffmann, die einem breiten Publikum durch die Rolle der „Hilde“ in der TV-Serie „Familie Heinz Becker“ bekannt wurde.

Die Bühne im Lantershofener Winzerverein war am Sonntag zur kleinen Wohnung umfunktioniert. Esstisch mit Stühlen, Fernsehecke mit Sessel, Bügelbrett und altes Radio, es fehlte an nichts, als Gerda und Walter zur ersten Szene am Frühstückstisch Platz nahmen und das Gejammere über viel zu trockene Brötchen und allzu heißen Kaffee seinen Lauf nahm. Dass sich der Prokurist in Rente und die gelernte Schuhverkäuferin nach 40 Ehejahren nichts mehr zu sagen hätten, war beileibe nicht der Fall. Dass sie allerdings immer noch aneinander vorbeiredeten, sorgte bei den gut 200 Gästen im Lantershofener Saal für andauernde Lachsalven. Auf der einen Seite Gerda, die neunmalklug immer wieder Fremdwörter durcheinander wirbelte, auf der anderen Seite der gelehrige Walter, dessen stete Korrekturversuche meistens ins Leere führten. Und wenn er dann einmal romantisch wurde und seiner Gerda eine Rose schenkte, vermutete die dahinter gleich ein schlechtes Gewissen beim Ehemann.

Aber Gerda verstand es auch hervorragend, den Spieß gegen den scheinbar intellektuell überlegenen Ehemann zu drehen. Beispielsweise, als dieser in viel zu enger Hose aus dem Haus gehen wollte und auf Ansprache hin feststellte: „Die Hose spannt nicht, sie sitzt. Wenn ich stehe. Es ist halt eine Stehhose.“ So richtig wurde das nichts mit dem rausreden, da nutzte auch die Aussage, das Alter einer Hose spiele im Gegensatz zum Alter eine Frau keine Rolle, wenig. Wenn Walter sich nicht mehr zu helfen wußte, beendete er den Dialog eben mit einem „Basta.“ Und das hätte bei so manch einem der Dialoge machen können, tat es aber nicht. Also wurde herrlich weiter gestritten. Über den Unterschied zwischen einer Beutelsuppe und einem Klavierkonzert beispielsweise. Oder aber über die Bedeutung des englischen Begriffs „Lucky Looser“, den Walter so lange zerredete, bis er darin einen russischen Dialekt als Übersetzung für Terpentin gefunden hatte. In einem aber waren sich Gerda und Walter bei all ihren Streitigkeiten einig: ewig geht das nicht so weiter, in 50 Jahren ist alles vorbei. Mit dieser Weisheit wollten sie sich nach zwei Stunden vom Lantershofener Publikum verabschieden, dass sie aber nicht ohne Zugaben von der Bühne gehen ließ.

Beide Schauspieler waren im Übrigen bemüht, den Rheinländern aus dem Ahrkreis nicht allzu viele Vokabeln aus dem Rheinhessischen oder dem Saarland „zuzumuten.“ So betätigte sich Walter gerne als Übersetzer, schob beispielsweise der „Gonsemer Kerb“ die Übersetzung „Gonsenheimer Kirchweih“ nach. Strikt an den Text wurde sich also nicht gehalten.

25.04.15: Wildes Holz

Von Elektropop bis Mozart

Mit „Wildes Holz“ präsentierte sich ein ungewöhnliches Trio bei Kulturlant

„Wissen sie, auf was sie sich eingelassen haben?“ Die Frage von Marcus Conrads hatte irgendetwas Bedrohliches im Unterton. Möglicherweise stelle sie der Bassist des Trios „Wildes Holz“ zu Beginn des Konzerts am vergangenen Samstag bei Kulturlant in Lantershofen auch nicht umsonst. Der erste Blick aufs Plakat konnte den Eindruck erwecken, es werde ein ruhiger, von klassischer Abend Musik geprägter Abend: drei Herren im schwarzen Anzug mit verschiedenen Holzinstrumenten. Kammermusik? Weit gefehlt. Was „Wildes Holz“ am Samstag in Lantershofen boten, war ein musikalisches Spektakel, dass in keine der gängigen Schubladen passt. „Es ist unsere Mission, die Blockflöte vom Ruf eines Kinderspielzeugs zu befreien“, hatte Flötist Tobias Reisige einmal gesagt. Eine Mission, die scheinbar das Lebenswerk des Trios, dass sich vor 18 Jahren an der Musikhochschule kennenlernte und seither zusammen musiziert, darstellt.

Was Reisige, Conrads und Gitarrist Anto Karaula ihren Instrumenten abverlangten und was diese ihnen zurückgaben, verdiente schon das Prädikat „unglaublich.“ Reisige hatte alleine 18 verschiedene Flöten im Gepäck, von der nur wenige Zentimeter langen Mini-Blockflöte bis hin zur mannshohen Kontrabass-Blockflöte, die sogar den 1,90-Meter-Mann überragte. Seine Flöten beherrschte er perfekt und mit einer Präzision, die das Publikum im ausverkauften Lantershofener Winzerverein immer wieder erstaunen ließ.

Schon die Besetzung des Trios mit Flöten, Kontrabass und Gitarre war ungewöhnlich. Gleiches galt für das Repertoire, dass Wildes Holz auf die Bühne brachten. Der musikalische Bogen reichte von Klassik bis Rock, vom Kinderlied bis zu Elektropop. Viele Stücke entstammten der Feder der drei Musiker. Sie präsentieren derzeit bei ihrer Deutschlandtour neue „Holz-Musik“, die es auf CD gepresst noch gar nicht zu kaufen gibt. Auch das ist ungewöhnlich, ist eine solche Tour doch eigentlich die Promotion fürs neueste Werk. „Astrein“ heißt die aktuelle CD und auch die Tour und dieser Titel fehlte natürlich nicht. Für ihre ungewöhnliche Musik haben sich die drei ebenso aussergewöhnliche Titel einfallen lassen, die sie immer mit irgendwelchen Begebenheiten zu verbinden wußten. „Moretti Swing“ zum Beispiel, das einer italienischen Biermarke gewidmet ist. „Dem einzigen Bier, das warm besser schmeckt, als kalt“, erklärte Reisige. Er hatte einige solcher Erklärungen auf Lager. „Ernte 14“ heißt das Stück, dass einer riesigen Waldarbeitermaschine gewidmet wurde, nachdem das Trio mal auf einer Waldbaumesse gespielt hatte. „Madera Salvaje“ lässt sich da schon einfacher erklären. Das ist nämlich spanisch und heißt nichts anderes, als „Wildes Holz.“

Gut die Hälfte der vorgetragenen Melodien waren Eigenkompositionen, der Rest mehr oder weniger bekannte Melodien anderer Künstler, die trotz der ungewöhnlichen Besetzung einen hohen Wiedererkennungswert hatten. „Pathétique“ von Ludwig van Beethoven in der „Bearbeitung für drei einfache Holzinstrumente“ zum Beispiel. „Badinerie heißt bei uns einfach nur Mozart 40“, erklärte Reisige. An einer Schule hatte ein Kind einmal diese Melodie erkannt, allerdings nur, weil es das Lied als Klingelton unter dem Namen „Mozart 40“ auf seinem Handy hatte. „Das Blöde ist nur, dass das Stück von Bach stammt“, so Tobias Reisige.

Nach weit mehr als zwei Stunden wussten schließlich alle Besucher im Lantershofener Saal, worauf sie sich eingelassen hatten und waren restlos begeistert. Mit stehenden Ovationen wurden Wildes Holz aufgefordert, Zugaben zu geben. Und auch die konnten ungewöhnlicher nicht sein. Elektropop aus den 1980er Jahren mit dem Kraftwerk-Stück „Das Model“ folgte der AC/DC-Klassiker „Highway to hell.“ Ganz am Schluss griff Tobias Reisige dann zur giftgrünen Ein-Euro-Plastik-Blockflöte aus asiatischer Massenproduktion, um auch dieser perfekte Klänge zu entlocken, nämlich die Titelmelodie der Verfilmungen des Astrid Lindgren-Klassikers „Pippi Langstrumpf.“