16.12.2022: FIASKO

Angekommen im „Haifischbecken Karneval“

Die Band „Fiasko“ feierte mit 250 Fans in Lantershofen ihr letztes Konzert des Jahres

Kölsche Musik gab es in der vergangenen Woche auf der Kulturlant-Bühne im Lantershofener Winzerverein zu hören. Die Band „Fiasko“ war zu Gast. Dabei ist der Kulturverein eigentlich gar nicht auf Kölner Karnevalsbands fixiert. Ganz im Gegenteil. „Aber das war der Wunsch aus Reihen unserer Gäste, den wir gerne umgesetzt haben“, so Vorstandssprecher Udo Rehm. Fiasko ist eine der vielen Bands im Schatten des Kölner Kleeblatts, also der ganz Großen, wie Bläck Fööss oder Höhner, die Ansprüche auf die großen Bühnen im dann erst lukrativen Kölner Karneval anstreben. Auf dem Weg sind die vier Jungs schon sehr weit, bei den TV-relevanten Veranstaltungen, wie der Sessionseröffnung oder dem Weiberdonnerstag sind sie dabei. Eines haben sie auf jeden Fall mit den meisten der Kölner Bands gemeinsam: sie kommen gar nicht aus der Domstadt, sondern aus dem großen Speckgürtel drumherum. „Aus Gelsdorf, Ahrbrück, Krälingen und Meckenheim stammen wir“ erzählt Sänger Daniel Müller, der auch über den Werdegang der Band plaudert. Als Cover-Band angefangen, hatte man irgendwann Lust auf eigene Songs, und die im rheinischen Dialekt. „Denn wenn ich eins kann, ist das kölsch“, sagt Müller. Gesagt, getan, man bewarb sich bei Nachwuchswettbewerb „Loss mer singe“ und fiel mit Pauken und Trompeten durch. „Nix klappte, wir sind kläglich gescheitert und das war es eigentlich dann auch für die Band“, so der Sänger. Dann aber habe man sich zusammengerauft und erst einmal richtig in Technik und Instrumente investiert. Denn Musik machen können die vier Jungs, die schnell merkten: „Die Bands, die im Karneval oben schwimmen, das sind Spitzen Livebands.“

Hinzu kam ein wenig Glück und die richtigen Songs: „Nach ´För dich´ kamen die Buchungen und mit dem aktuellen Hit ´Anita´ geht die Post ab,“ berichtet Müller von 180 bis 200 Auftritten im Jahr. Klar, dass besagte „Anita“ auf in Lantershofen 250 Kehlen zum Singen brachte. Überhaupt war das aus vielen jungen, im Karneval engagierten Menschen bestehende Publikum textsicher. Denn es gab in Lantershofen Musik aus allen drei bisher veröffentlichten Alben zu hören. Dabei stand für Müller, Bassist Dirk Fussel, Schlagzeuger René Jungbluth und Gitarrist Henning Becker das aktuelle Album „Unendlich lebendig“ natürlich im Vordergrund. Aber auch die bekannten älteren Songs, wie „Immer wenn et Naach weed“, „Zülpi“ oder „Schwerelos“ waren zu hören. Oft genug schwankte die Band hin und her zwischen Stimmungssongs und ruhigen Balladen, wobei letztere das Gros der Gäste zum Schunkeln brachten. Und nur wenige Takte später kam die ganze Energie, die man nicht nur im Karneval auf der Bühne benötigt, wieder durch. Gut 100 Minuten waren Fiasko für ihre Fans zu erleben. Anders, als in den großen Sälen der Domstadt bei  der Hetze von Auftritt zu Auftritt, nahm sich die Band im Anschluss an das Konzert noch viel Zeit, um bei der After-Show-Party mit den Fans ins Gespräch zu kommen.

Kölsche Musik ist bei Kulturlant am 30. März wieder angesagt. Dann präsentiert Ex-Paveier-Frontmann Micky Brühl zusammen mit Jolina Carl und Christoph Wüllner das Projekt „Landmusik“, kölsche Songs im Country-Stil.

Veranstaltungsankündigung

Daniel, Dirk, Henning und René sind alles andere als ein F!ASKO.

Diese vier Jungs strotzen vor ansteckender Energie und Scheuklappen sind ihnen völlig fremd. Seit 2014 singen sie auf Kölsch, haben den „Loss mer Singe“-Förderpreiseingeheimst, ihr Debütalbum „Jetz Jöh“ veröffentlicht und bei Rhingtön/Universal Music ihre Labelheimat gefunden.

Sie gewannen 2015 den Wettbewerb „Unser Song für Köln“ und veröffentlichten immer wieder Singles, die schlicht einschlugen: „Su sin mir“, „Nur Do“, „Schwerelos“, Schlag auf Schlag hauten F!ASKO Songs raus, als wäre es das Einfachste auf der Welt. Zuletzt trug sie „För Dich“ durch die Session 2018/2019 und da die fünfte Jahreszeit üblicherweise kalt und nass ist, waren wir alle dankbar, dass uns die Vier die Sterne bunt malten.

Auch 2019/2020 schicken F!ASKO einen Song in die Session: „Immer wenn et Naach weed“charakterisiert die Band ideal. Er ist sommerlich treibend und tanzbar. Andererseits zeichnet er ein melancholisch verliebtes Bild, das sich auf die Liebesbeziehung zweier Menschen bezieht, aber auch eine Hommage an die Stadt Köln ist.

Ihr zweites Album „PORTRAIT“ (VÖ: 18.10.19) ist als Titel sinnig gewählt, denn das Album ist genau das, ein Abbild der Band 2019, die musikalische Essenz des Quartetts. Ihr Spektrum reicht von intelligent arrangierten Pop-Juwelen, über getragene Balladen, Indierocksongs mit Gitarrensoli, bis hin zu augenzwinkernden Dancetunes. Einmal mit alles bitte. Die vier Youngster saugen mit ihrer ganz eigenen, unbeschwerten Euphorie alles auf. Sie mischen die musikalischen Einflüsse verschiedenster Epochen und Stile zu ihren Songs zusammen, die authentisch und bodenständig, aber eben auch großes Popkino sind. Mit ihrem neuen Album „Portrait“ und ihren Erfolgen im Gepäck fliegen F!ASKO ins neue Jahrzehnt und denken gar nicht daran zu landen. Und dieses Portrait sieht nicht nur verdammt gut aus, es klingt auch so.

07.12.2022: TÖLZER KNABENCHOR

Von der Elbphilharmonie in die Lambertuskirche

Alpenländische Weihnachtsmusik mit dem Tölzer Knabenchor

Einer der bekanntesten deutschen Chöre war zu Gast auf der Grafschaft. Der Tölzer Knabenchor gab dort am vergangenen Mittwoch ein Konzert. Auf dem Programm stand die „Alpenländische Weihnacht.“ Eingeladen hatte der Verein Kulturlant, der in losen Abständen immer wieder zu Weihnachtskonzerten in das Gotteshaus bittet. Nach den New York Gospel Stars (2016) und dem Schwarzmeer-Kosakenchor (2019) war das Konzert der jungen Sänger die dritte Veranstaltung des jungen Vereins dieser Art. Knapp 350 Besucher sorgten für ein volles Gotteshaus.

Erst am Wochenende zuvor hatte der Knabenchor in der Hamburger Elbphilharmonie konzertiert. Nun also Lantershofen. „Hier sitzen die Gäste auf alle Fälle sehr viel näher an den Akteuren“, so Kulturlant-Geschäftsführer Thomas Weber bei der Begrüßung. Dabei hatten sich die Gastgeber angesichts der laufenden Krankheitswelle schon am Morgen über eine die gute Nachricht aus dem Quartier des Chores in der Kreisstadt freuen dürfen: „Die Kinder sind alle prima drauf.“ Gar nicht so selbstverständlich, wie Tourleiterin Barbara Schmidt-Gaden sagte: „Inzwischen ist sowohl der Dresdner Kreuzchor als auch die Windsbacher Sängerknaben und auch der Hamburger Kinderchor außer Gefecht gesetzt.“

„Erwischt“ hatte der Grippevirus dagegen Chorleiter Christian Fliegner, aber die musikalische Reisegruppe hatte mit dem jungen Dirigenten Marco Barbon einen würdigen Ersatz dabei. Er führte die jungen Sänger im Alter von zehn bis 13 Jahren in der Lambertuskirche immer wieder zu gesanglichen Höchstleistungen, die das Publikum staunen ließen. Besonders faszinierten die Auftritte immer wieder anderer Solisten, die trotz junger Jahre mit ebenso kraftvollen, wie glasklaren Stimmen überzeugten. Bei „Wer klopfet an“, einem Stück aus der Ostracher Liederhandschrift aus der Zeit um 1740 wurde das besonders deutlich. Mit dem sakralen „Ach wann kommen jene Stunden“, eröffnete der Chor das Weihnachtskonzert, dem mit dem gesungenen „Rorate“ und dem „Gegrüßt seist Du, Maria“ weitere Sakralgesänge folgten. Die Freude am Singen war den 28 Jungen anzusehen und ihre Stimmen erfüllten den Kirchenraum. Beim Lied “Es kimmt an Engl vom Himmel herab” zeigte sich der Facettenreichtum des Chores, als die Stimmen wie Glocken in verschiedensten Tonhöhen erklangen und so verkündeten, dass etwas Großes geschehen ist. Tief in den bajuwarischen Dialekt verfallend brachten die Jungs mit dem “Schlapprawoit” das Erstaunen an der Krippe zum Ausdruck. Ein echter Gänsehautmoment war der Andachtsjodler, der den Schlusspunkt unter ein wahrlich gelungenes Konzert setzte, bei dem neben den Knaben Harfinistin Theresa Jörg und Clemens Haudum am Akkordeon weitaus mehr als nur musikalische Begleiter waren, sondern mit mehreren Instrumentalstücken ihr Können bewiesen.

Gut eineinviertel Stunden entführte der Chor die Gäste in die Alpenländische Weihnachtsmusik. Und während die Menschen gerührt und beseelt das Kirchenschiff verließen, schien es für den Chor ein Höhepunkt zu sein, mit jeder Menge Kisten Gummibärchen eines Grafschafter Herstellers versorgt zu werden, ehe sie ihre Weihnachtstour in Richtung Kurhaus Wiesbaden fortsetzten.

Veranstaltungsankündigung

Der Tölzer Knabenchor gehört zu den berühmtesten und erfolgreichsten Knabenchören der Welt und bestreitet mehr als 150 Konzert- und Opernauftritte im Jahr. Seit der Saison 2021/22 ist Michael Hofstetter

Künstlerischer Leiter und führt die Pflege des breitgefächerten Repertoires des Chores fort. Das Chorrepertoire umfasst sowohl alle Gebiete des Chorgesangs vom Barock bis zur Gegenwart mit einem besonderen Schwerpunkt auf den Werken Johann Sebastian Bachs als auch alle wichtigen Knabenpartien der Opernliteratur, besonders in Mozarts „Zauberflöte“.

Höhepunkte der Saison 2021/22 sind u.a. Konzerte mit den Berliner Philharmonikern, Chorkonzerte u.a. im Festspielhaus Baden-Baden, der Alten Oper Frankfurt, Dresdner Frauenkirche, Konzerthaus Blaibach, Festspielhaus Füssen, dem Erfurter Dom sowie der Stiftsbasilika Waldsassen. Im Juni 2022 findet das 6. Knabenchorfestival Bad Tölz statt, welches der Chor als Biennale selbst betreibt. Solistisch sind Knaben des Tölzer Knabenchors bei Opernproduktionen der Bayerischen Staatsoper, Komischen Oper Berlin und Dresdner Semperoper zu hören. Konzertreisen führten den Tölzer Knabenchor durch ganz Europas, nach Russland, Israel, Asien und in die USA. Regelmäßig wird Chor zu den renommiertesten Festivals wie den Salzburger Festspielen, dem Bachfest Leipzig, dem Rheingau Musik Festival oder dem Shanghai Baroque Festival eingeladen. Er gastiert in allen großen Konzertsälen der Welt, zum Beispiel im Concertgebouw Amsterdam, der Carnegie Hall, dem Wiener Musikverein oder der Suntory Hall. In den letzten Jahrzehnten hat der Tölzer Knabenchor mit vielen wichtigen Dirigenten zusammengearbeitet, wie zum Beispiel mit Nikolaus Harnoncourt, Herbert von Karajan oder Christian Thielemann.

Für seine Einspielungen erhielt der Chor zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Deutschen Schallplattenpreis, den französischen Schallplattenpreis, den Diapason d’Or, den ECHO Klassik der Deutschen Phono-Akademie Berlin sowie eine Nominierung für den Grammy Award.

Aktuell werden etwa 170 Jungen beim Tölzer Knabenchor vom künstlerischen Leiter und dessen Team professionell in München unterrichtet. In mehreren Ausbildungsstufen entsteht der berühmte „Tölzer Klang“, der sich durch besondere Homogenität, leuchtende Höhen, präzise Intonation und eine klare Artikulation auszeichnet. Gezielte Förderung und altersgerechtes Lernen ermöglichen eine optimale Ausbildung der Kinder.

Der Chor wurde 1956 von Gerhard Schmidt-Gaden ins Leben gerufen, der ihn bis 2014 musikalisch leitete.

25.11.2022: DAOIRÍ FARRELL TRIO

Die irische Seele auf die Bühne gebracht

Der Dubliner Daoirí Farrell spielte mit seinem Trio in Lantershofen

Es wurde wieder einmal irisch auf der Kulturlant-Bühne im Lantershofener Winzerverein. Dort war am vergangenen Freitag der preisgekrönte und mehrfach mit dem BBC-Folk-Award ausgezeichnete Daoirí Farrell zu Gast. In seiner Heimat füllt der Dubliner große Hallen und Stadien, außerhalb Irlands ist er gerade dabei, seine Popularität zu steigern. Daher ist Farrell seit Wochen auf einer Tour quer durch Europa, die ihn und seine beiden musikalischen Begleiter auch nach Lantershofen brachte. Dort wollten gut 130 Gäste den Barden, der in seiner Heimat als „Paul Brady“ seiner Generation gefeiert wird, erleben. Farrell gilt in den Augen des „Folk-Urgesteins“ Dónal Lunny als „der bedeutendste traditionelle irische Sänger der letzten Jahre.“

Daoirí Farrell überzeugte auch in Lantershofen mit seiner gleichermaßen kräftigen, wie glasklaren Stimme, mit der er Songs vortrug, die allesamt seiner Feder entstammen. Dabei legte der Ire den Schwerpunkt auf Balladen im typisch irischen Folkstil. Farrells Stücke handeln von der irischen Landschaft und den Menschen, die er explizit beschreibt. Musikalisch stellt er einen „Pat Rainey“ vor „Fergie McCormack“, er besing die „Blue Tar Road“, das „Valley of Knockanure“ und widmet sich dem „Little Drummer“ oder dem „Cook in the Kitchen.“ Manche seiner Songs sind traurig, andere fröhlich und immer, wenn das Trio das Tempo anzieht, wird der Winzerverein sofort mit rhythmischem Klatschen erfüllt. Längst hat Farrell hierzulande seine Fangemeinde, man ein Konzertbesucher kam von weither, um den irischen Abend zu erleben. In der Konzertpause wurde bei Whiskey und Guinness vielfach englisch oder irisch geredet, Farrells Landsleute aus der Umgebung waren in stattlicher bei Kulturlant anwesend.

An seiner Seite wusste der Barde zwei exzellente Musiker, die die typischen, zum Irish Folk gehörenden Instrumente beherrschten. Geoffrey Kinsella und Leonard Barry begleiteten Daoirí Farrell nicht nur mit Gitarre oder Banjo, sie ließen auch die Uilleann Pipes, also den irischen Dudelsack, bei dem ein Blasebalg mit dem Ellbogen aufgepumpt wird, erklingen. Und auch die Bodhran, eine irische Rahmentrommel, war vielfach zu hören.

Wer nun aber glaubte, das Konzert wäre eine ernste Vorstellung traditioneller irischer Folkmusik gewesen, sah sich spätestens dann eines Besseren belehrt, wenn Farrell seine Moderationen begann. Immer wieder brachte er das Publikum mit seinen Späßen zum Lachen, berichtete über verstopfte Flöten dank Erdnüssen, die auf der Bühne einen Lachkrampf auslösten, oder stellte klar, dass auch Schotten nur Iren seien, allerdings die, die nicht schwimmen können. Als die drei Musiker nach knapp zwei Stunden den letzten Titel ankündigten, hatte das Publikum noch lange nicht genug. Das beherzte Verlangen nach Zugaben erfüllte das Daoirí Farrell Trio in der Folge noch mehrmals, ehe Gäste und Musiker noch lange im Foyer des Winzervereins zusammenstanden, um über Irland und seine Musik zu fachsimpeln.

Veranstaltungsankündigung

Daoirí Farrell Trio – purer Irish Folk!

Frisch, mitreißend, beeindruckend und mitten ins Herz treffend – das ist die Musik des irischen Musikers Daoirí Farrell. Mit seiner einmaligen Stimme und seinem bewegenden Gesang beschwört der Sänger und Bouzouki-Spieler Daoirí Farrell lebendige Bilder Irlands herauf, von grünen Tälern und Hügeln bis zu Geschichten über Rebellion und Liebe. Der Musiker aus Dublin wurde nicht nur mit zwei BBC Folk Awards ausgezeichnet, sondern im September 2019 gleich für 3 Folkpreise des nationalen irischen Radio-/Fernsehsenders RTE 1 nominiert. Er wird als „Paul Brady“ seiner Generation gefeiert und hat bereits 3 fantastische Alben herausgebracht. Begleitet wird er in 2022 von einem Dudelsack- und einem Bodhranspieler. Dieses Trio beschert ein absolut fesselndes und packendes Erlebnis des puren Irish Folk mit Balladen und irischen Melodien, begleitet von der typisch irischen, humorvollen Moderation.

Der Dubliner Daoirí Farrell ist laut Dónal Lunny der bedeutendste traditionelle Sänger der letzten Jahre. Seit der Veröffentlichung seines ersten Albums „The First Turn“ in 2009 hat er eine phänomenale Entwicklung durchgemacht und sich in der Gesangsszene des Irish Folk fest etabliert – und das ganz oben. Nach der Veröffentlichung seines zweiten Albums „True Born Irishman“ in 2016 wurde der All Ireland Champion Singer Daoirí Farrell in 2017 für drei BBC Folk Awards nominiert und gewann gleich zwei dieser begehrten Auszeichnungen, als „Best Newcomer“ und für das beste Trad-Stück. Damit rückte er ins internationale Rampenlicht – er tourt seitdem weltweit und ist gern gesehener Gast auf großen internationalen Festivals. Die Presse feiert ihn begeistert – die Musikzeitschrift fRoots (Jan/Feb 17) brachte einen dreiseitigen Artikel; in Songlines wurde sein Album unter „Top of the World“ rezensiert. Er hat die meisten der ganz großen irischen Musiker wie Christy Moore, Andy Irvine und Donal Lunny begleitet, die allesamt Fans sind…

Anfang 2018 konzertierte er mit der Starbesetzung der berühmten Transatlantic Sessions in bedeutenden Veranstaltungsorten Großbritanniens – 2018 folgte dann das dritte Album „“Lifetime of Happiness“.

 

20.11.2022: ALTE BEKANNTE

A-capella in Vollendung

Knapp 400 Besucher waren von den Konzerten von „Alte Bekannte“ in Lantershofen begeistert

Die Nachfolger der legendären „Wise Guys“, die A-Capella-Formation „Alte Bekannte“, war am vergangenen Sonntag in der Grafschaft zu Gast. Im Lantershofener Winzerverein gaben die fünf Musiker gleich zwei Konzerte und begeisterten dabei knapp 400 Gäste mit ihren zumeist lustigen Titeln. Nach dem Vorstellsong „Wir sind Alte Bekannte“ ließ die Band um Daniel Dän Dickopf zahlreiche Songs aus der aktuellen CD „Alte Socken“ erklingen. Die passende Tournee dazu war in den beiden vergangenen Jahren wegen der Corona-Pandemie weitestgehend ausgefallen. Nun lautetet die Konzertüberschrift „Bunte Socken Tour 2.0“. Heißt: man hat das ein oder andere Lied gegen neues Liedgut ausgetauscht. Aber es tauchte auch der ein oder andere Wise-Guys-Song, wie der Zungenbrecher „Sägewerk Bad Segeberg“ im Programm auf.

Vieles aber stammte nicht textlich und musikalisch aus der Feder der Alten Bekannten, manches Lied war aber auch gecovert, wobei das Quintett es mit der Übersetzung nicht allzu genau nahm. Da wurde aus Michael Jacksons „Billie Jean“ das Lieg von der „Billig Jeans“, die „Mann“ doch bitte in der Disco nicht tragen soll, will er Erfolg beim anderen Geschlecht haben. Und während es bei Status Quo heißt „You’re in the Army now“, wird bei den Bekannten aus der „Army“ die Eifel, in der ihnen ein wenig zu viel Ruhe vorherrscht. Die Musiker sangen über all das, was in Deutschland qua Schild und Aufkleber verboten ist, sie präsentierten eine „Ode an die Schnarchnasen“, besangen die aufkommende Demenz in „Der Dings“ und verkündeten, sich nicht mehr in alles einmischen zu wollen: „Nicht mein Zirkus.“

In den mehr als zwei Stunden dauernden Konzerten ging es um Montagsallergien und die Deutsche Bahn. Dass Kinder im Alter von zwei bis drei Jahren am ehesten „kleine Terroristen“ sind, brachte der Band schon Shitstorms ein. Das galt in keinster Weise für ihr gefeiertes Medley der 80er-Jahre-Hits, bei denen es ausnahmsweise nicht in deutscher Sprache zuging. Am Ende blieb dann in den Zugaben die wichtigste Erkenntnis: Das Leben ist schön.

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Alte Bekannte – „Bunte-Socken-Tour“ 2021/22 live

„Alte Bekannte“ freuen sich nach der langen Coronapause auf ihren deutschlandweiten Neustart als Live-Act. Im Mittelpunkt des aktuellen Tourprogramms stehen die  Songs vom neuen Album „Bunte Socken“.

Hinzu kommen die beliebtesten Songs der ersten beiden “Alte Bekannte”-Alben und “handverlesene Perlen” aus dem reichen Fundus der Kultband “Wise Guys”, deren Nachfolge die Band um Texter und Komponist Daniel “Dän” Dickopf im Jahr 2018 angetreten ist.

„Alte Bekannte“ begeistern mit ihrem Liveprogramm Menschen aller Altersgruppen:

„Ich kam als Wise-Guys-Fan zum Konzert. Ich gehe als Fan von Alte Bekannte nach Hause!“

„Zweieinhalb Stunden extrem kurzweilige Unterhaltung auf exzellentem Niveau.“

„Das ist immer wieder ein Kurzurlaub für die Seele!”

www.altebekannte.band

19.11.2022: MICHAEL HATZIUS

Freche Echse sorgt für Lacher

Der preisgekrönte Puppenspieler Michael Hatzius war in Lantershofen

Echsenfieber auf der Grafschaft: der fernsehbekannte und mehrfach preisgekrönte Puppenspieler Michael Hatzius war am vergangenen Samstag Gast beim Verein Kulturlant im Lantershofener Winzerverein. Im ausverkauften Saal erlebten 250 Gäste ein äußert freche und provokante Echse und großartiges Stand-up-Kabarett.

Einen Namen hat besagte Echse, die es sich in aller Regel auf dem Schoß von Michael Hatzius gemütlich macht, nicht. Des Echsen Stimme kommt dabei nicht von einem Bauchredner, außerdem ist Hatzius immer zu sehen. Dennoch ist der geneigte Besucher nur auf das grüne Tier fixiert, dass als Mischung aus selbstherrlichem Provokateur und Märchenerzähler auftritt. Echse lebte nämlich schon in den hohen Zeiten der Evolution, hatte da schon gutes Internet und trat nun als Star auf, der froh war, Lantershofen gefunden zu haben. Das Dorf in einer Gegend, wo der Name Winzerverein Sinn mache, ohne Alkohols wäre es dort kaum zu ertragen. Aber die Echse konnte nicht nur gegen das Publikum austeilen. Sie selbst sei von der Maskenpflicht befreit. Warum? Keine Ohren. Hören und sehen klappte dennoch hervorragend, denn der Echse entging im Publikum nichts, vor allem nicht, wenn sich dieses nicht vollends auf die Show konzentrierte. Da kam die Echse auch schon Mal zu den Gästen, nahm ihnen Laugengebäck ab und kassierte sogar Smartphones ein, um dann lautstark Chatverläufe vorzulesen. Die Datenschutzgrundverordnung ließ hier keinesfalls grüßen. Überhaupt richtete die Echse ihre Konversation mit den Besuchern darauf aus, diese gründlichst nach Privat- und Berufsleben auszufragen. Im großen Gehirn wurde alles gespeichert und die Echse entpuppte sich im Laufe des Abends mehr und mehr zum Fachvieh in Sachen Improvisationstheater.

Als sich dann auch noch „Miri“ aus dem Ahrtal auf das Angebot einer Puppenspieler-Kurzausbildung auf die Bühne traute, bewies sich die Echse als Theaterausbilder. Allerdings mit dem faden Beigeschmack, dass die Echse wenig Empathie für die Menschen im Ahrtal zeigte und eher lapidar über die Flut sprach. Tiere scheint tatsächlich so manches kalt zu lassen.

Michael Hatzius hatte in seinem mitgebrachten Streichelzoo auch zwei Tiere mit eigenen Namen dabei, nämlich zwei Schweinchen: den unterwürfigen und stotternden Eber Torsten auf der einen und die fette, arrogante und hinterhältige Steffi auf der anderen Seite. Die beiden gehören zum Ensemble der WDR-Mitternachtsspitzen und sorgten für die ersten Lacher im Publikum, dass an der ein oder anderen Stelle des Abends aber auch die Luft anhielt oder kräftig schlucken musste.

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Die Echse

Tierversuche können äußerst unterhaltsam sein, vor allem wenn der preisgekrönte Puppenspieler Michael Hatzius dabei seine schrägen Figuren lebendig werden lässt. Die weltbekannte Echse ist natürlich wieder der Star der Abends. Seit dem Urknall ist das mürrisch-charmante Reptil auf unserer Erde, hat die erste Zelle noch eigenhändig geteilt und berichtet gern von ihren Erfahrungen. Doch auch anderes Getier sucht den Weg ins Licht. Schweine, Zecken, Hühner oder gar ein Kamel?

Wir dürfen gespannt sein, denn an diesem Abend wird Michael Hatzius diverse Charaktere aus seinem Universum vorstellen. Das Publikum ist dabei Teil des „Echsperiments“, schließlich ist Improvisation die große Leidenschaft von Michael Hatzius, und so wird jeder Abend einzigartig.

28.10.2022: CHRIS KRAMER & BEATBOX’N’BLUES

Schwierigkeiten der Kulturszene treten zutage

Kaum Gäste und eine Absage beim ersten Wochenende der Kulturlant-Saison

Das war fast zu erwarten: die aufflammende Corona-Pandemie und die hohe Inflation treffen aktuell die Kulturszene erneut hart. Davon wird auch die Grafschafter Bühne „Kulturlant“ in Lantershofen nicht verschont. Am Wochenende war Auftakt zur neuen Spielzeit 2022/23, und der fiel für die Mannschaft des gemeinnützigen Vereins äußerst düster aus. Nachdem am Donnerstag einer der beiden Kabarettisten des Duos „Podewitz“ positiv auf das Corona-Virus getestet worden war, musste die Auftaktveranstaltung der Kabarettreihe kurzfristig abgesagt werden. Die Veranstaltung wurde auf Samstag, 15. April 2023, verlegt, alle Tickets behalten ihre Gültigkeit.

Stattfinden konnte dagegen das Auftaktkonzert des Dortmunder Trios Chris Kramer & Beatbox’n’Blues am Freitagabend. Viele Stühle musste die Veranstalter dafür nicht in den Saal des Winzervereins stellen, nur knapp 50 Gäste kauften ein Ticket, Platz wäre für 250 Personen gewesen. „Das ist schon bitter, aber irgendwie war es ja zu erwarten und die Vorverkaufszahlen haben das Dilemma schon angekündigt“, meinte Vorstandssprecher Udo Rehm. Hoffnung machen ihm und dem Verein einige Ausreißer nach oben bei den weiteren Veranstaltungen der Saison.

Die, die am Freitag den Weg nach Lantershofen eingeschlagen haben, haben das auf jeden Fall nicht bereut. Chris Kramer machte gleich einmal klar, dass es in der Kulturszene ungeschriebene Gesetze gibt. Eines davon: „Wenn ein Gast mehr im Saal ist, als die Band Mitglieder hat, dann wird die Bude gerockt.“ Auf der Bühne waren sie zu dritt und davor musste sich niemand Sorgen machen, dass das ungleiche Trio nicht alles geben wird. Zweieinhalb Stunden beeindruckten Kramer, Kevin O’Neal und Paddy Zimmermann das Publikum nicht nur mit einem Parforceritt durch Blues, Beat und Rock’n’Roll. Auch das Zustandekommen ihrer Musik war äußerst ungewöhnlich. Das galt vor allem für den „Schlagzeuger ohne Schlagzeug“, Kevin O’Neal. Der erzeugt nämlich die Töne und den Wumms, den ein echtes Schlagzug von sich gibt, ausschließlich mit Mund und Stimme. Beatboxen heißt diese Art, Musik zu machen, O’Neal geht dieser Passion seit zwei Jahrzehnten nach und bewies, dass er nicht umsonst mehrfacher Deutscher Meister im Beatboxen ist. Wenn O’Neal zu seinen Soli ansetzte, machte sich im Publikum nur großes Staunen breit, dass schnell in Begeisterung umschlug.

Ungewöhnlich auch Chris Kramer, er ist ein Meister der an der Mundharmonika, von denen er ein ganzes Sortiment dabeihatte. Zudem ist Kramer, der mit vielen hochdekorierten Musikern arbeitete, ein perfekter Bluessänger mit durchdringender Stimme. Und Mundharmonika mit Gesang vereinen, konnte er ebenfalls. Dritter im Bunde war Paddy Zimmermann, er komplettierte das Trio mit der Gitarre und lieferte sich immer wieder herrliche Duette mit Beatboxer O’Neal. Die, die den Auftakt der Kulturlant-Saison erlebten, waren am Ende hochbegeistert.

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Zwei junge Wilde und ein alter Blues-Barde schmieden gemeinsam einen innovativen Mix aus traditionellem Blues und modernen Beatboxsounds: ihre frische, unverbrauchte, hochoriginelle, tanzbare, stets virtuose und sehr unterhaltsame Art des Musikmachens peitscht die drei Vollblutmusiker mit unbändiger Spielfreude nach vorne, sodass beste Unterhaltung garantiert ist.

Bandleader Chris Kramer ist  nicht nur ein  begnadeter Geschichtenerzähler, Sänger und gewiefter Songschreiber, sondern darüber hinaus vor allem durch sein großartiges Mundharmonikaspiel bekannt, wofür der sympathische Ruhrpottler auch bei hochrangigen Kollegen beliebt ist. Chuck Leavell (Pianist der Rolling Stones) sagt über Chris: „Oh man, what an amazing harpplayer“, Cream-Bassist Jack Bruce nennt den deutschen Kollegen einen „Master of the Blues-Harp”. Götz Alsmann empfiehlt „Chris Kramers faszinierende CD“ und Jürgen von der Lippe lud ihn in seine Samstagabendshow “Geld oder Liebe” ein. Peter Maffay hat ihn gleich mehrmals auf Tour und ins Tonstudio mitgenommen.

Gitarrist Sean Athens ist seit seinem 14. Lebensjahr im Showgeschäft. Direkt am Anfang seiner Karriere konnte er feststellen, was es heißt, von der Plattenindustrie entdeckt zu werden und in der ausverkauften „Barclay Arena“ in Hamburg bei „THE DOME“ zu spielen. Und genauso schnell wieder fallengelassen zu werden, wenn sich der gewünschte Erfolg nicht einstellt. Das hat seiner tiefen Liebe zur Musik und insbesondere zu seiner Gitarre keinen Abbruch getan. Ganz im Gegenteil, denn trotz seiner Jugend verfügt er über eine erstaunliche musikalische Erfahrung und auf der Bühne verwandelt er sich zu einer energiegeladenen „Rampensau“, lebt und stirbt für jeden einzelnen Ton und verschmilzt förmlich mit seiner Gitarre. Diese Hingabe hat dazu geführt, dass er seine starke Spielweise u.a. auch schon für Thomas Godoj unter Beweis gestellt hat.

„Beatboxen“ heißt die Kunst, ein komplettes Schlagzeug mit dem Mund zu imitieren. Kevin O Neal ist als zweifacher deutscher Beatboxmeister ein wahrer Meister seines Fachs. Wenn er zum Solo ansetzt, ist es im wahrsten Sinne des Wortes „atemberaubend“. Als Pulsschlag der Band zieht er alle Register seines Könnens. Er treibt zum einen die beiden Solisten zu Höchstleistungen an und versteht sich zum anderen auch auf die leisen Töne. Bei seinem Solo-Spot zeigt er dem Publikum nicht nur eindrucksvoll, was Beatboxen ist, sondern hier kommt auch sein Comedy-Talent zum Vorschein. Seine witzige und virtuose Show bringt den Zuschauer gleichermaßen zum Lachen wie zum Staunen.

Kevin O Neal kommt aus dem Hip-Hop, Sean Athens aus dem Rock und Chris Kramer aus dem Blues. Jeder bringt sich und seine musikalischen Vorlieben in die Band ein und aus dieser Reibungshitze entsteht der Sound des energiegeladenen Trios, der generationsübergreifend für Begeisterung sorgt. „Chris Kramer & Beatbox ’n’ Blues“ sind drei außergewöhnliche Musiker, die auf der Bühne wechselseitig im Vordergrund stehen und auf höchstem Niveau mit spannendem Entertainment ihr Publikum unterhalten. Besonders Live eine dicke Empfehlung!

28.05.2022: ZÄRTLICHKEITEN MIT FREUNDEN

„Ossi“ und „Wessi“ leben auf der Bühne weiter

Das Duo „Zärtlichkeiten mit Freunden“ hielt den Kulturlant-Gästen den Spiegel vor

Es hat eine paar Jahre und viele Anfragen lang gedauert, aber jetzt waren sie auf der Kulturlant-Bühne zu erleben: Stefan Schramm und Christoph Walter ziehen seit vielen Jahren über die Bühnen der Republik, um als „Die bekannte Band Zärtlichkeiten mit Freunden“ mit schräg und schief sitzenden Perücken in die Rollen des Ines Fleiwa und des Cordula Zwischenfisch zu schlüpfen. Mittels Gitarre und Schlagzeug versuchen die beiden dann, ihre rudimentären Musikkenntnisse einem Publikum zu vermitteln, dass sich meist nicht entscheiden kann, ob es denn lachen oder heimgehen soll. Vorwerggenommen: früher nach Hause ging auch in Lantershofen niemand, auch weil die beiden Kabarettisten aus Riesa es von der ersten Minute an darauf anlegten, den Ossi-Wessi-Konflikt auch 33 Jahre nach dem Mauerfall am Leben zu erhalten und Themen mit ihrem eigenen Genre „Musik-Kasperett“ bewusst ins Lächerliche zu ziehen.

Ihr aktuelles Programm „Mitten ins Herts“ hat noch immer viel von den Programmen früherer Jahre, denn geändert hat sich in ihrem Spezialgebiet ja auch nichts. Und so verriet Cordula Schlagzeug, dass er seit einem dreiviertel Jahr Schlagzeug spielt. „Also Viertel vor Jahr,“ bemüht er die „Zeitansage West.“ Üben kann er aktuell nicht mehr, ist er doch in eine Wohnung ins Erdgeschoss gezogen. Mit neun Zentimeter dünner Plattenbau-Innenwand zur Nachbarin, die das Schlagzeug nicht vertragen kann, seit ihr beim Fußballspiel die Kniescheibe abhandenkam.

Oft genug wird dabei der „Besser-Wessi“, zum „Besser-Ossi“, der die Vorurteile einfach umdreht. „Willst Du es lustig machen“, frage Ines seinen Schlagzeuger, als dieser das Jackett dreht, rückwärts an den Trommeln sitzt, die Maske des grimmigen Beamten über den Hinterkopf zieht, „Venus“ auf dem Rücken begleitet und sich danach feiern lässt, wie ein Popstar. Klar will er es lustig machen und ein Lächeln auf die Gesichter von den tapferen Menschen zaubern. „Auf die von der ehrlichen Arbeit gegerbten Nubuk-Gesichter. Denn sie haben ja nichts in der Grafschaft, außer diesem braunen Bio-Kleber und dem Wein, mit dem man prima Flecken entfernen kann.“

Hier auf den Bühnen zu arbeiten, ist nicht leicht. Wo die Menschen mit ihren Pullovern sitzen, die doch humanoide Bassfallen für die Instrumente der beiden Musiker bilden, welche es also ganz besonders fein einzustellen gilt. Und dann verwandelt sich Cordula Zwischenfisch auch noch in Rico. In Rico Rohs aus Oppitzsch, das liegt zwischen den Metropolen Riesa und Strehla. Rico mit dem Weltraum als Hobby, der Ines nun musikalisch begleitet. „Hier kommt es ja nicht drauf an“, zitiert er seinen Partner, denn das Publikum ist eh nach der Pause besoffen und einzig darauf aus, die Ossis mit langem Applaus vorzuführen. Aber das will der Gitarrist nie so gesagt haben. Und als die beiden am Ende auch in Streit geraten, baut der Schlagzeuger noch während des dritten und letzten musikalischen Vortrags sein Instrumentenensemble Stück für Stück ab. Dem Publikum in Lantershofen gefällt es. Und nachtragend sind sie im Winzerverein auch nicht.

Veranstaltungsankündigung

Die bekannte Band „Zärtlichkeiten mit Freunden“ sind Stefan Schramm und Christoph Walther – ein unfaires Doppel im Morgengrauen am staubigen Scheideweg von Kabarett und Rock. Auf der einen Seite hemmungslose Fußballerbeine, dort lässige Überartikulation. Genau so beschreiten sie das selbst erfundene Genre des Musik-Kasperetts. Es verbindet sie spinnerte Verkleidungslust und unregelmäßiger Bartwuchs, beides noch von ganz damals her, aus der deutschen Eisdielenstadt Riesa. Diese brutalen Karrieristen buhlen um die Gunst der leichten Muse, die man früher „Quatsch mit Soße“ nannte oder „Politikverdrossenheit“. Sie gefallen sich in der Pose mitleidloser Spaß-Roboter! Mit alten Perücken provozieren sie Heiterkeit bis zur Tachykardie. Mitreißende Jingles, eine leibeigene Vorband, Spucke-weg-Zauberei auf akustischer Auslegware, Hits aus der Jugend verschiedener Generationen! Lange Pausen! Keine Löcher: Exakt wie ein Uhrwerk verpuffen sie ihre Pointen, oft auf Kosten des gebürtigen Elektrotechnikers Ines Fleiwa. Auf der Bühne verschmelzen Unvereinbarkeiten wie Intelligenz und Sächsisch, Sächsisch und Charme, Blockflöten und Sexyness. Das spektakuläre finale grande ist die legendäre Schlagzeugdekonstruktion. Ein melancholischer Engel geht durch den Raum. Kommt mit ins Wunderland unendlicher Adoleszenzen! Diese Show ist wahrlich ein feucht gewordenes Tischfeuerwerk!

14.05.2022: DJANGO ASÜL

Neues aus Hengersberg

Kabarettist Django Asül schaut seiner Umgebung aufs Maul

Mit Django Asül konnte der Grafschafter Verein Kulturlant am vergangenen Samstag ein “Urgestein” der deutschen Kabarettlandschaft im Lantershofener Winzerverein begrüßen. Der niederbayerisch sozialisierte Sohn türkischer Gastarbeiter gehört seit mehr als 25 Jahren zu den skurrilsten Gestalten in der Kabarettszene. Mal politisch angehaucht, mal gesellschaftskritisch entstand sein aktuelles Programm “Offenes Visier” noch vor der Corona-Pandemie hauptsächlich dort, wo sich Django Asül an sechs von sieben Tagen in der Woche morgens aufhält: am Stammtisch. Keinem virtuellen, sondern einem reelen Stammtisch. Der steht im Örtchen Hengersberg vor den Toren von Passau, gleich am Marktplatz in einem Wirtshaus, dass mittlerweile Kultstatus genießt. Nicht erst, seitdem Paul Breitner oder Edmund Stoiber den Kabarettisten dort besuchten , um vor allem dessen Stammtischbruder Hans kennenzulernen. Denn der ist wohl der wahre Kabarettist, Django Asül trägt nur dessen Blickwinkel in die Welt hinaus. Und manchmal ist der Blickwinkel des Hans ein ganz eigener, wenn er zum Beispiel sagt: „Die Realität hat schon lange nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun.“

Django Asül, dessen Bühnenbild nur aus ihm selbst, einem Stehtisch und einem Glas Weißbier besteht, zeigte erst einmal, dass er sich mit jedem seiner Auftrittsorte akribisch beschäftigt. Auch mit dem Ahrkreis, dem die Kelten den Weinbau brachten, weshalb die Trauben auch gekeltert werden. Von hier aus startete der Weinbau seinen Siegeszug in die Welt, zumindest nach Italien und Frankreich. Sagt Django und schwenkt auf die Familie und seine beiden kleinen Nichten, die sagen, was sie denken. Oder was sie hören: „Das was du machst, kann man nicht als Arbeit bezeichnen.“ Aha. So definiere sich auch die große Diskrepanz zwischen Familienleben und Freizeitleben. Das Publikum lacht, bis es den Tipp bekommt: “Fragen Sie mal in ihrer Familie, wer sie gut findet.”

Mit seinem Rundumschlag aus dem offenen Visier springt Asül buchstäblich durch einen großen kabarettisitischen Themenkreis, den 150 Gästen im Winzerverein bleibt kaum Zeit zum Lachen, geschweige denn zum Klatschen. Kann mach auch nicht immer, beipsielsweise beim Blick aufs Fernsehen der 1980er. “Die Show ‘Was bin ich’ war eine Mischung aus ‘Wer wird Millionär’ und den Nürnberger Prozessen”, so der Blickwinkel am Hengerberger Stammtisch. Ab und zu verläßt Asül diesen, wenn er zum Beispiel seine Lieblingsdestination Malta aufsucht, weil er doch so ein überzeugter Europäer sei. Hier tanke er seinen EU-Akku auf. Die Sprache in dieser seit dem Mittelalter als Steueroase bekannten Insel sei eine Mischung aus arabisch und italienisch, was dem Wesen des heutigen Maltesers entspreche: „Bakschisch und Mafia.“ Und ganz nebenbei lerne man dort auch, dass die Johanniter der bewaffnete Flügel der Caritas seien.

Gesellschaftspolitisch wurde es auch noch. Mangelnde Chancengleichheit und die längere Lebenserwartung Besserverdienender waren Asüls Themen, aber auch die mangelnde Schnelligkeit der Zukunftsgestaltung in Deutschland. Die Konsequenz hieraus: “Die Digitalierung der Arbeitswelt wird in unserem Land noch lange analog bleiben.”

Veranstaltungsankündigung

Kaum ist das Visier offen, hat Django Asül urplötzlich einen ganz anderen Blick auf die Dinge. Raus aus der Filterblase, rein in den Weitwinkel. Und vor allem: Raus in die weite Welt. Django Asül treibt sich herum von Marseille über Malta bis in den Nahen Osten. Und schon hagelt es Erkenntnisse auf die drängendsten Fragen: Wieso ist Malta das ideale EU-Land? Ist der Klimawandel eine Gefahr oder doch eher die Lösung wofür auch immer? Oder gilt das eher für die Digitalisierung?

Und: Ist der Einzelne in der Gesellschaft tatsächlich ersetzlich oder eher entsetzlich?

Denn mit offenem Visier sieht man nicht so sehr sich selbst, aber umso mehr andere und anderes. Ganz gegen den Trend ignoriert Django Asül die Selbstoptimierung und setzt auf Fremdoptimierung. Dabei lernt er vor allem Verständnis und Verständigung und wird so zum Mediator zwischen den Fronten.

Wie das alles funktioniert?

Ganz einfach: Django zahlt sich selber ein Grundeinkommen. Und ist damit seiner Zeit weit voraus. Dieses Programm ist daher ein Muss für alle, die den Weitblick nach innen und nach außen haben.

13.05.2022: VOYAGER IV

Wenn Mussorgsky auf Jean-Michel Jarre trifft

Mit der „Pictures at an Exhibition“ wagte sich Voyager IV auf eine spektakuläre Mission

„Space Rock“ nennen sie ihre Musik. Das Projekt „Voyager IV“ um den bekannten Pianisten Marcus Schinkel war ihrer ureigenen musikalischen Beschreibung der „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Mussorgsky auf der Kulturlant-Bühne in Lantershofen zu Gast. Dort ist es für die ausrichtenden Verein nach wie vor schwer, Musik außerhalb des Mainstreams an den Gast zu bringen. Nur 60 Zuschauer wollten die Vereinigung progressiver Rockmusik des 21. Jahrhunderts mit Elementen aus Klassik und Jazz erleben. Dabei orientierten sich Schinkel (Piano und Keyboards), Sänger und Percussionist Johannes Kuchta, Fritz Roppel (Bass) und Wim de Vries (Drums) in erster Linie neben dem Original aus dem 19. Jahrhundert an der Bearbeitung durch „Emerson, Lake & Palmer“ in den 1970er Jahren. Vor allem Schinkel brachte immer wieder ausgefallene Instrumente ins Spiel, wie die Laserharfe eines Jean-Michel Jarre, aber auch Theremin, Keytar oder den Synthesizer. Alles wurde somit ins Gewand des Progressiv-Rock des 21. Jahrhunderts transformiert. Aber nicht nur das: Voyager IV haben auch neue Songs aus den klassischen „Pictures at an Exhibition“ – Vorlagen der Mussorgsky Reihe entwickelt. Für Fans von Crossover-Projekten dürfte die Aufführung ein Feiertag gewesen sein, für die Freunde von Emerson, Lake & Palmer sowieso.

Veranstaltungsankündigung

Progressive Rock des 21. Jahrhunderts vereint mit Klassik und Jazz

Die Supergroup der 70er, Emerson, Lake & Palmer (E.L.P.) und der klassische Zyklus von Modest Mussorgsky sind nur der Ausgangspunkt für die spektakulären Voyager IV Konzerte. Mit tollen Songs und Kompositionen, Licht & Lasershow, ausgefallenen Instrumenten wie der Laserharfe von Jean-Michel Jarre, Theremin, Keytar und kosmischen Klängen aus Synthesizer und Klavier mischt die Band ein Programm aus Vocal-Songs und extrovertierten Instrumentaleinlagen. Auf ihrem aktuellen Album und damit auch Live auf der Bühne gehen Voyager IV aber noch einen gehörigen Schritt weiter: Die E.L.P. Versionen der „Pictures“ erfahren eine komplett neue Bearbeitung und erklingen nun im Gewand des Progressiv-Rock des 21. Jahrhunderts. Zudem haben Voyager IV neue Songs aus den klassischen „Pictures at an Exhibition“ – Vorlagen der Mussorgsky Reihe entwickelt.

Damit stellen Voyager IV wohl eines der interessantesten Crossover Projekte der internationalen Prog-Rock-Szene dar, das sie selbst gerne auch als Space Rock bezeichnen und das wohl nur noch am Rande als Tribute to E.L.P. zu verstehen ist.

Bandleader Marcus Schinkel tritt weltweit als Pianist auf, war 2018 in China als Kulturbotschafter für NRW und spielte im Oktober 2019 in Honduras Konzerte mit Rockband und Orchester. Die Rhythmusgruppe mit dem niederländischen Superdrummer Wim de Vries und Fritz Roppel am Bass lässt die energiegeladenen Sounds von Rush, Led Zeppelin oder Pink Floyd wiederaufleben. Sänger/ Songwriter Johannes Kuchta weckt mit seiner individuellen, charismatischen Stimme Erinnerungen an Peter Gabriel, Greg Lake, Phil Collins oder Fish.

09.04.2022: KRAAN

Ein Stück deutscher Musikgeschichte

Die Jazz-Rockband „Kraan“ wurde vor mehr als 50 Jahren gegründet. Am Samstag waren sie in Lantershofen.

„Endlich wieder ohne Maskenzwang und Abstandspflicht, auch wenn viele noch ein bisschen Paranoia haben, sich in die Nähe anderer Menschen zu begeben“, war das erste, was Star-Bassist Helmut Hattler dem Publikum im Lantershofener Winzerverein zu sagen hatte. Hattler war dort am Samstag mit seinen wohl wichtigsten Bandprojekt „Kraan“ zu Gast, deren Gründungsjahr mit 1971 angegeben wird. Mehr als 50 Jahren ziehen die Jazz-Rocker, die ihre Titel gerne mit orientalischen und asiatischen Klängen untermalen, also schon über die Bühnen. Und das immer gleicher Grundbesetzung. Sie sind als Begründer des Jazz-Rock längst zu einem Stück deutscher Musikgeschichte geworden und begeisterten auch im fortgeschrittenen Alter noch ihr Publikum. Hattler feiert in diesen Tagen seinen 70. Geburtstag. Vor der Bühne in Lantershofen tummelten sich derweil viele Mitglieder der heimischen Musikszene, aber auch Kraan-Fans, die teilweise weite Anfahrtswege in Kauf genommen hatten.

Sie alle waren von der rund zweistündigen Präsentation begeistert, für die sich das Trio mit Hattler am Bass, Peter Wolbrandt an der Gitarre und Jan Fride Wolbrandt am Schlagzeug Keyboard-Unterstützung geholt hatte. Auf die Ohren gab es in erster Linie Musik aus dem fünften Live-Album von Kraan „The Trio Years.“ Stücke, wie „Andy Nogger“, „Nachtfahrt“ oder „Pick Peat“ führten die Fans immer wieder quer durch fünf Jahrzehnte Kraan-Klassiker, die für „The Trio Years“ neu für den Liveauftritt definiert wurden. Peter Wolbrandt und Helmut Hattler ließen in erster Linie ihre Gitarren sprechen und singen, tatsächlicher Gesang blieb Nebensache, war auch nicht wirklich das, was die knapp 150 Fans im Winzerverein hören wollten. Der Kraan-Sound stand eindeutig im Vordergrund, da kamen alte Emotionen hoch, die sich mit jedem Titel verstärkten, ehe Kraan nach gut eineinhalb Stunden mit „Borgward“ das letzte und eines seiner bekanntesten Stücke ankündigte, das wie die meisten Songs die Dauer von zehn Minuten mühelos überschritt. Als Zugabe wurde es dann noch ein wenig länger, Kraan wanderten zurück ins Jahr 1974, um mit dem 15-minütigen Klassiker „Nam Nam“ einen tollen Abend zu beenden.

Veranstaltungsankündigung

Kraan gab’s schon mal als Trio. Allerdings bevor Kraan überhaupt Kraan hieß. Jan Fride Wolbrandt war Hellmut Hattlers Nebensitzer in der Schule und betrieb mit seinem Bruder Peter Wolbrandt im zarten Alter von zwölf Jahren bereits eine erfolgreiche Beatband. Hattler, der große Blonde, der später Bass-Geschichte schreiben sollte, war damals noch in einen rigiden, streng behüteten Haushalt eingebunden. Der plötzliche Tod seiner Eltern ließ Haltegriffe fehlen, schuf aber nach einer Weile Raum zum Komplettieren der Urzelle jener Band, die seit 1970 allen Konventionen trotzt. Im ehemaligen Büro des Hattler’schen Elternhauses wurde gejammt, ausprobiert. Und nebenbei formulierten die drei Individualisten den Ausbruch aus den vorgezeichneten bürgerlichen Lebensläufen. 1970 stieß Johannes „Alto“ Pappert zum Trio und bereits ein Jahr später definierten sich die vier Probierenden als Profis. Mit ureigener Identität, die sich auch im Bandnamen manifestiert.

Kraan heißt Kraan, weil der Band-Name „vorne hart anfängt und hinten weich aufhört“. Ersetzt man „hart“ durch „metrisch-druckvoll“ und addiert das Weiche, das Melodische, das Sinnliche, hat man den kollektiven musikalischen Fingerabdruck der Band ganz gut begriffen. Was niemand je entschlüsseln wird, ist die psychologische DNA von Kraan. Weder die zwischenzeitlich unter dem Banner Kraan agierenden Musiker Ingo Bischof, Udo Dahmen, Gerry Brown, Joo Kraus, Eef Albers und Marc McMillen noch die seit 2008 wieder als Trio agierende Dreifaltigkeit Hattler-Wolbrandt-Fride, können die Seele von Kraan adäquat erklären. Zum Glück, denn nichts ist desillusionierender als das Entmystifizieren der Chemie, die seit den Jam-Sessions im Büro stimmte – auch, wenn sie vordergründig betrachtet nie richtig stimmte. Nur ausgewiesene Kraan-Chronisten vermögen die ewigen Auflösungen aufzuzählen, die notwendig schienen, damit es danach mit wiedererstarkter Intensität weitergehen konnte.

Als Amerika in Form von Seymour Stein Interesse an der herrlich widersprüchlichen Musik von Kraan bekundete, und ein paar der sagenumwobenen, von Conny Plank produzierten Platten aus den 70er-Jahren auf dessen Passport-Label erschienen waren, rückte das „Big Time“-Business in greifbare Nähe. Aber plötzlich wollte der Drummer lieber Richtung Afghanistan abhauen, statt in dem Land zu spielen, das den Vietnam-Krieg wider besseren Wissens geführt hatte. Seymour Stein gründete damals gerade Sire Records und hätte die Band vom Gut Wintrup gerne mitgenommen, um sie zu späteren Label-Mates der Talking Heads und Madonna zu machen. Aber es sollte, wie so vieles, nicht sein. Amerika wäre gut fürs Konto und noch besser fürs teils nicht vorhandene Ego gewesen. Hätte, könnte, würde – es ging danach mit dem Album „Wiederhören“ auf derart brillantem musikalischen Niveau weiter, dass die „Scheiß egal“- Haltung der Hälfte der Band eine vorläufige Bestätigung fand. Übrigens im Jahr der Schleyer-Entführung, was eindrücklich unterstrich, dass die vormaligen Kommunarden jeglicher Politisierung mit Feinmotorik und Bauchgefühl widerstanden. Eine Tatsache, die bis heute genauso Bestand hat, wie die Unmöglichkeit des musikalischen Zuordnens von Kraan. Krautrock? Lächerlich! Kraut-Funk? Schon eher, aber immer noch viel zu beengend. Jazz-Rock? Vielleicht ein bisschen, wenngleich das „kraansche“ Augenmerk aufs Ensemblespiel den darin enthaltenen charakteristischen, solistischen Hickhack immer mit Argwohn betrachten ließ.

Das neue, insgesamt fünfte Kraan-Live-Album „The Trio Years“, wurde zwischen 2008 und 2017 aufgezeichnet. „Sicherer mit, aber schöner ohne“, lautete die Parallelenziehung des Lichttechnikers zwischen Keyboardern und Kondomen, nachdem es der Kraan-Tastenmann vorgezogen hatte, im Bett liegen zu bleiben, statt zu einem vereinbarten Festival-Gig aufzutauchen. Kraan war plötzlich wieder ein Trio, in der Besetzung der Urzelle. Zunächst unfreiwillig, aber umgehend mit der erneut gesteigerten Intensität. Aufgenommen von Thierry Miguet, stammen die neuen Live-Definitionen von Kraan-Klassikern aus unterschiedlichen Konzerten unterschiedlicher Jahre. „Ich hatte mir zig DVD’s angehört, auf die Thierry seine Mitschnitte gezogen hatte“, erinnert sich Hellmut Hattler. „Und eigentlich war ich dabei an den Punkt gekommen, dass ich 80 Prozent der meisten Stücke super fand, zu denen sich aber immer 20 Prozent Entgleisungen gesellten – typisch Kraan! Mir fehlte die Vorstellung, das Material zu einer runden Sache editieren zu können und ich hakte das Live-Projekt zunächst frustriert ab.“ Die buchstäbliche Rettung der Live-Platten-Idee übernahm schließlich der befreundete Drummer, Label- und Studio-Betreiber Jürgen Schlachter, der in minuziöser Feinarbeit jeweils Spuren verschiedener Konzerte zusammen editierte. „Während ich im Krankenhaus lag und um mein Leben kämpfte, gab Jürgen richtig Gas und schickte mir quasi täglich neue Versionen unterschiedlicher Stücke, die in der Zeit für mich wie ein Anker waren. Darunter befanden sich auch Stücke wie ‚Silver Buildings’, von denen ich gar nicht mehr wusste, dass wir sie überhaupt live gespielt hatten“, sagt Hellmut Hattler. „Ich war komplett gerührt davon, weil sie in den vorliegenden Live-Versionen so vital klingen. Selbst die Gesänge funktionieren, was bei Kraan schon was heißen will“, spöttelt der Ulmer selbstironisch.

Für den geneigten Kraan-Fan gibt es auf „The Trio Years“ Unmengen Frisches zu entdecken. Die enthaltene 18-Minuten-Version von „Nam Nam“ straft mit der Selbstverständlichkeit der Dauererneuerung alle Anachronismus-Vermutungen lüge. „The Schuh“ aus der jüngeren Kraan-Historie lässt über die einnehmenden Möglichkeiten der Orchestrierungen in der Trio-Besetzung staunen. Im unschlagbaren Klassiker „Let It Out“ findet Peter Wolbrandt ausreichend Raum für seine Gitarren-Exkursionen, die immer ein bisschen klingen, als ob sie von einem anderen Stern stammen. Das „Wintruper Echo“ unterstreicht, wie locker Hellmut Hattler die Balance zwischen Melodie und Groove verfeinert aus den Ärmeln schüttelt. „Hallo Ja Ja, I Don’t Know“ ist ein Paradestück für Jan Fride Wolbrandts feinmotorisches, metrisches Gespür. Für den Kraan-Neuentdecker summiert „The Trio Years“ derweil, wofür die Band seit knapp fünf Jahrzehnten wie ein Leuchtturm in der Brandung steht: Free-Form-Musik von Freigeistern, die einen unverkennbar zeitlosen Sound haben, weil sie immer auf ihr kollektives Bauchgefühl hörten. Im Zeitalter der Technokratie ist „The Trio Years“ nicht zuletzt deshalb unverzichtbar.

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