27.04.2019: RAINALD GREBE

Provokation auf höchstem Niveau

Mit Rainald Grebe war in Lantershofen ein Star und Zyniker der Szene zu Gast

„Das war der Ritterschlag für unsere kleine Bühne“, da war man sich beim Grafschafter Verein „Kulturlant“ einig. Gemeint war der letzte Auftritt im Rahmen des Kabarett-Abo-Programms 2018/19 im Lantershofener Winzerverein, wo am Samstagabend Rainald Grebe zu erleben war. Der im Jahr 2012 mit dem deutschen Kabarettpreis ausgezeichnete Liedermacher, Schauspieler, Kabarettist und Autor präsentierte sein „Elfenbeinkonzert.“ Mit Konzert hatte das durchaus etwas zu tun, ließ sich Grebe doch immer wieder am Flügel nieder und stimmte zu Gesang und nachdenklichen Texten an. In der Summe war sein Programm, das mitsamt vier Zugaben fast drei Stunden lang dauerte, eine Mischung aus Kabarett und Theater, vor allem aber große Kunst.

Grebe hielt auf seine ganz eigene Art der Gesellschaft, und damit auch dem Publikum in der seit Monaten ausverkauften Vorstellung den Spiegel vor, indem er in ihre Rollen schlüpfte. Schon das Outfit war eine erste Provokation: Sakko, Hemd, Krawatte, Turnhose. In der Hand den großen, sprechenden Koffer mit all dem, was er zu sagen und zu zeigen hat, schluffte der 48-jährige durch den Saal auf die Bühne, von wo aus er ständig mit seinem Techniker Franz kommunizierte. „Ohne den geht es nicht“, stellte Grebe schnell fest. Aber erst einmal wurde ihm wegen eines kleinen Malheurs flugs die Kündigung ausgesprochen.

Grebes Mantra an diesem Abend war die Vermittlung des deutschen Liedguts an Afrikaner. Aber welches deutsche Liedgut? Etwa das, das unter dem Namen Hip-Hop längst sein Reimschema verloren hat. 1992 war alles noch gut, als die Fantastischen Vier mit ihrem schwäbischen Kehrwoche-Hip-Hop noch Reime präsentierten. Das ist verloren gegangen. Aber wo? Kann man das den Ivorern an der Elfenbeinküste, wo Grebe als Kulturbotschafter 2016 einen Volkslieder Kurs im Goethe-Institut gab, vermitteln? Oder doch besser Helene Fischers Schlagerknaller „Atemlos durch die Nacht“, den die Ivorer schließlich fröhlich anstimmten. Dem Publikum in Lantershofen wurde das und manches andere auf der Leinwand vorgeführt. „Atemlos“ erfüllt hat die Kriterien eines Volkslieds, also eingängig, gut singbar und identitätsstiftend. Tja, kommentiert Grebe die Einspieler, „das ist Kolonialismus auf Augenhöhe, sagen wir es mal so.“ Was ist der Mann für ein Zyniker!

Grebe sprang von Rolle zu Rolle, hatte die Jugend auf dem Kicker und bescheinigte ihr, dass der Sprachschatz irgendwo zwischen Selfie und „Lol“ doch was Gutes sei. Dabei gab es die per „Face Swapping“ verballhornten Snapchat-Fotos und Musikvideos, die Teenies mit der App Musically gebastelt haben, zu sehen. Kultur der Zukunft. Was bleibt für die Älteren, außer „Raus in die Arena“, per Song wird die Routine des Tages provokant dargestellt. Dann schon lieber ein Leben wie das des „Dirk“, der schon Grandmaster Flash hörte, als Grebe noch Reinhard Mey verehrte.

Die Show läuft, dann aber der Moment, der dem Publikum beim Lachen das Blut gefrieren lässt. Grebe berichtet von seinem Afrika-Trip und scherzt über die Gefahrenzulage für Mitarbeiter des Goethe-Instituts, von der die alte Freundin, die ihm den Job in Abidjan antrug, berichtete. Doch dann kommt es: „Henrike ist im März ermordet worden, zufällig, zusammen mit 15 anderen am Strand, niedergemäht von Islamisten.“ Das Publikum war mucksmäuschenstill, Grebe schwenkt um, wird wortwitzig, seziert die Gesellschaft noch mehr und lässt einen starken Abend ausklingen. Nach Hause gehen will niemand. Auch nach der vierten Zugebe bleiben die 250 Gäste sitzen und hoffen auf einen weiteren Nachschlag. Dieses Mal vergeblich.

Und warum kommt Grebe, der auch schon Mal vor 10.000 Leuten Konzerte in Berlin gibt, ins kleine Lantershofen? Der Star löst das Rätsel. Sein Musical-Projekt „Effzeh! Effzeh!“ zum Thema 1. FC Köln zog ihn zu Club-Archivar Dirk Unschuld. Der wohnt in Lantershofen und machte für seine Hintergrund-Infos den Auftritt bei Kulturlant zur Bedingung. Grewe willigte ein und legte als Gage die

Bezahlung in Weißwein und Eifelgeist fest. Kistenweise wechselten die Getränke den Besitzer. Was für eine Nacht!

Veranstaltungsankündigung

Das Elfenbeinkonzert

Er tut es wieder. Vier Jahre nach seinem letzten Solo Das RainaldGrebeKonzert setzt sich Rainald Grebe wieder allein ans Klavier. „Alles ging damit los, daß eine alte Bekannte anrief, ob ich nicht einen Volksmusik- Workshop in der Elfenbeinküste machen wolle, mit ivorischen Deutschstudenten, sie sei jetzt Leiterin des Goetheinstituts dort in Abidjan. Dann sagte sie noch, daß das Goetheinstitut einen Steinwayflügel besitzt, und einen Klavierstimmer gibt es auch, den einzigen in der Cote d ´Ivoire. Der betreut etwa ein Dutzend Instrumente und eins davon steht beim Goethe im Institut. Ich sagte zu. Aber was ist jetzt bitte heute Volksmusik, und wie kann ich Deutschland am Äquator musikalisch vermitteln. Und warum nicht auch tänzerisch? Und was ist Volksmusik in der Elfenbeinküste… Oder an der Elfenbeinküste? Ich bin ja jetzt Botschafter. Mit meiner zarten Arthrose meldete ich mich in Berlin erstmal bei einem Breakdanceworkshop an. Eigentlich hab ich für Afrika gar keine Zeit. Ich hab hier 8 Theaterprojekte parallel zu betreuen. Wie immer. Und dann ging die Reise los…“ Das Elfenbeinkonzert ist Rainald Grebes fünftes Soloprogramm. Premiere am 21.10.2016 in der Kölner Philharmonie.

Pressestimmen:

  • „Seine Komik ist ein intellektueller Kollateralschaden auf dem Kriegspfad gegen die Einfältigkeit. Der Grebe 2012 vertieft das Renommee eines unglaublich innovativen Unterhalters.“ (Allgemeine Zeitung Mainz, Feb 2012)
  • „Irgendwie scheint die Logik seiner Gedanken nie von dieser Welt zu sein. Doppelbödig ist das alles nicht – mindestens sieben Böden lassen sich vermuten. Wie falsches Leben im falschen funktioniert – bei ihm erhaschen wir eine Ahnung davon.“ (Thüringer Allgemeine, Feb 2012)
  • „Absolut beeindruckend, wie Rainald Grebe im einen Moment krass überzeichnet, und beinahe im selben Augenblick tief berührt.“ (Siegener Zeitung, Jan 12)
  • „Und weil sein Ego-Trip auch eine Generationenbeschreibung ist, finden sich so viele im Publikum in ihm wieder und bejubeln ihn – nicht zuletzt wegen seiner kleinen, aber scharfen politischen Spitzen.“ (WZ, Jan 12)
  • „Es gibt Kabarettabende, da weißt du nach zwei Minuten, dass es wieder gut wird.“ (Nürnberger Nachrichten, Juni 2012)
  • „Geniale Verschmelzung von Text, Musik und deklamatorischer Wucht“ (Kölnische Rundschau, Juli 2010)
  • „Eine Mischung aus Udo Jürgens und Helge Schneider. Genial!“ (Stern, April 2010)
  • „Grebe besitzt ein immenses Gefühl für Dynamik und Dramatik, Bühnenelemente, die er gnadenlos auszuspielen vermag.“ (Plärrer, Nürnberg, April 2010)
  • „Kabarett in gut. Ja, so was gibt’s. Markenzeichen: aufgerissene Augen. Zwischen der Bissigkeit Wiglaf Drostes, der Eloquenz Dieter Nuhrs und der Romantik Funny Van Dannens.“ (Intro, April 2010)
  • „Bei Grebe…ist das Abseitige Programm. Und wie er mit Kalauern und Sottisen, höherem Blödsinn, schwarzem Humor und Schlagerverhohnepipelung die hohe Kunst der Komik variiert, hat Klasse.“ (FAZ Mai 2009)
  • „Zurzeit scheint er an allen Ecken und Enden zugleich zu brennen. Grebe, seien Sie bitte gut zu sich! Wir brauchen Sie.“ (Die Welt, Mai 2008)
  • „Wer ist schuld, dass uns diese Granate jahrelang vorenthalten wurde?“ (Süddeutsche Zeitung Februar 2007)
  • „Eine unbeschreibliche Melange aus Balladen, die er selbst fulminant am Flügel begleitet, und absurden Betrachtungen“ (tz München, Februar 2007)
  • „Grebes Heimat ist zweifellos die Bühne, und sollte er auf einer in Ihrer Nähe zu sehen sein: Gehen Sie schnell hin!“ (Titanic, April 2007)
  • „Lyrik mit Heimtücke … sublimer Blödsinn mit wetterfester, tragischer Grundierung.“ (Der Spiegel im März 2006)
  • „Hier steht ein Ururenkel des Dadaismus auf der Bühne, ein kluger Kindskopf, der sämtliche Erwartungen bricht.“ (Kölner Stadtanzeiger, Oktober 2004)

 

 

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