10.12.16: VANESSA BACKES

Das Saarland als Eichmaß für Katastrophen

Alice Hoffmann präsentierte sich als biedere „Vanessa Backes“ bei Kulturlant

Wenn ältere Frauen sich auf der Straße begegnen und anfangen zu erzählen, über dies und jenes und vielleicht auch über die große Welt, hört man gerne zu. Genauso war es, als sich am Samstag eine eben dieser Frauen auf der Kulturlant-Bühne in Lantershofen präsentierte. Ihr Name: Vanessa Backes. Hinter dem Pseudonym steckte niemand anderes, als Schauspielerin Alice Hoffmann, die einst als „s’Hilde“ an der Seite von Gerd Dudenhöfers Figur des Heinz Becker bundesweit bekannt wurde. Mit der Person der Frau Backes spielt sie die spät geschiedene Frau, deren Mann sich eine jüngere gesucht hat, und erklärt dem Publikum das Leben und das Saarland und explizit das Leben aus der Sicht der Saarländerin.

„Sinnerer Saarländer do?“ so die erste Frage der scheu wirkenden Backes, die sich über die fünf nach oben gehenden Hände unter den 230 Gästen im ausverkauften Lantershofener Winzerverein freute. Dem Rest mußte sie erst einmal ihren Dialekt erklären, zunächst aber traute sie sich, Mantel und Tuch abzulegen. Ein Stuhl als einzige Requisite auf der Bühne mußte herhalten, als Frau Backes unterm Mantel die Kittelschürze präsentierte. Natürlich die „Schärz für gut“, also die Sonntagsschürze. „Mit kollossal schlankenden Längsstreifen“, wie sie betonte. Zurück zum Sprachunterricht: wichtigstes Wort des Saarländers ist „ebbes“ und Zentrum des saarländischen Kulturverständnisses ist „Hauptsach gut gess“, also gut gegessen. Am liebsten Dibbelappes, der dem rheinischen Döppekooche nahe kommt.

Feindbild Nummer eins des Saarländers ist der „Pälzer“, der ihm schon deshalb suspekt ist, weil ein Pälzer sechs Saarländern keinen Saarland-Witz erzählen will, da er den dann auch noch sechs Mal erklären müßte. Prekär dagegen: das Saarland scheint ein Eichmass für Katastrophen zu sein: „Wenns in Kanada Hochwasser hat oder in Australien der Wald brennt, dann oft in einer Fläche von den Ausmaßen des Saarlandes“, sei im Fernsehen immer wieder gerne zu hören. Mit zunehmender Dauer redete Frau Backes sich war, ehe ihr dann einfiel, dass sie sich noch gar nicht vorgestellt hatte. Zuvor tat sie noch kund, dass Frauen in der saarländischen Sprache nicht weiblich, sondern sächlich sind: „s’Hilde zum Beispiel. Oder s’Sophie mit Doppel-S.“ Einmal warm mit dem Publikum, traute sich Vanessa Backes noch mehr und forderte auf: „Wenn Sie was nicht verstehen, fragen sie ruhig, und zwar mit Häää?“

Irgendwie gelang es ihr im Laufe des Abends dann auch, den Blick weit über den Tellerrand hinaus schweifen zu lassen. Nach der Scheidung sei sie nun auch im saarländischen Landtag angekommen. „Ich putz do.“ Ach so. Die große Politik hat sie dennoch erfasst, denn: „Wir sind Bundeskanzler.“ Also die deutschen Frauen. Sinnierend über die Gehirngrößen von Männern und Frauen fielen so kluge Sätze, wie „Wenn immer der Klügere nachgibt, wird die Welt bald von Dummschwätzern regiert.“ Besser als Politik ist aber die Regenbogenpresse zu verstehen, besonders die Welt der Gespenster, also der Spencers mit Scharles, der Die-Do und der „Schroh Camelia.“ Das Publikum wußte schon, wer gemeint war. „Ich guck ja auch so gern die Hochzeiten der Königshäuser, die werden nur noch von den Beerdigungen übertroffen“, zeigte Frau Backes auch ihren makabren Touch. Am Ende ließ sie dann auch noch die Hüllen fallen, also Mantel, Mütze, Schürze und Perücke und aus der biederen Vanessa Backes wurde die quicklebendige Alice Hoffmann. Das Publikum dankte ihr mit lang anhaltendem Beifall.

Veranstaltungsankündigung

“Denk emol”

Zum ersten Mal agiert sie außerhalb eines Theatergeschehens: ohne Bühnenbild, ohne Rahmenhandlung. Einfach nur bewaffnet mit ihrem Handtäschchen erzählt Frau Backes aus ihrem neuen Leben, das sie sich nach der zerbrochenen Ehe aufbauen musste. Sie gründet eine Ich-AG, besucht einen Englischkurs, kommt in den saarländischen  Landtag und beginnt, sich erstmals Gedanken zu machen über „außerhäusliche“ Themen.

„Denk emol“: Hartz-Reform, Angela Merkel, Kreditkarten, aber auch die Flatterhaftigkeit der Männer. Das alles sind die Themen, die in diesem Programm natürlich wie immer mit der ihr typischen Naivität, wenn auch diesmal mit einem Schuss kabarettistischer Schärfe, die Lachmuskeln in Bewegung versetzen. Um den Dialog mit dem Publikum möglich zu machen, gibt es zunächst eine Einführung in die saarländische „Dialektik“. Frau Backes ist dabei auch lernbegierig was andere „Sprachen“ und Sitten betrifft, und nachdem sie ihre Zuschauerinnen und ZuschauerI zu Kommentaren und Zwischenrufen animiert hat, bleibt sie ihnen nie eine Antwort schuldig.

Eine Überraschung wartet am Schluss. Für alle, die wissen wollen, wer sich genau unter der Kittelschürze verbirgt gibt es einen „Striptease“. Mit den entsprechenden Posen, tänzerisch gekonnt und doch ohne sich wirklich auszuziehen, verwandelt sich Frau Backes witzig und pfiffig in Alice Hoffmann.

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