20.01.2019: LISA ECKHART

Die Extravaganz in Person

Lisa Eckhart machte klar: „Ich bin nicht Künstler, ich bin Kunst“

Mit einem fulminanten „Kracher“ startete der Verein Kulturlant am Sonntagabend in sein diesjähriges Kabarettprogramm. Auf der Bühne erlebten 250 hin- und hergerissene Besucher eine der derzeit angesagtesten Kabarettistinnen im deutschsprachigen Raum. Lisa Eckhart, gerade einmal 26 Jahre alt, startet mit ihrem zweiten Bühnenprogramm derzeit durch, spielt nur vor ausverkauften Häusern. Auch in Lantershofen war seit Wochen kein Ticket mehr zu erhalten. Dass das neue Programm der sympathischen, aber dennoch unnahbar wirkenden Österreicherin, die ihre ersten Bühnenerfolge als Poetry-Slammerin feiern konnte, zwar „Die Vorteile des Lasters“ heißt, mit den Transportfahrzeugen aber so gar nichts zu tun hat, machte sie gleich zu Beginn klar. Musste sie aber eigentlich nicht, der Blick auf die Bühne genügte. Keine Ausstattung, nur ein Barhocker und ein Mikrofon, dahinter über die gesamte Dauer des Programms ein knallrot illuminierter Hintergrund. Davor die Künstlerin, die sich nicht als solche sieht, wenn sie sagt: „Ich bin nicht Künstler, ich bin Kunst.“ Frech im königlich-barocken Body und mit fetten High Heels an den Füßen erinnerte das Bühnenbild samt Lisa Eckhart dem Blick in gewisse Etablissements der Rotlicht-Bereiche großer Hafenstädte, wie Hamburg oder Amsterdam.

Passen dazu ihre Thematik: all das, was dem Christen die Hölle beschert, also was Spaß macht, war bei Lisa Eckhart Programm. Getreu der Feststellung „Ein grüner Smoothie ersetzt nicht den Absinth“ ließ sie vom Leder. Ihr Akzent wirkte mal verspielt, mal besorgniserregend hintergründig. Tabus? Nein, die kennt Lisa Eckhart nicht. Ihre Vergleiche, gefüllt von politischer Unkorrektheit, führten sie in schöner Regelmäßigkeit unter die Gürtellinie. Und dennoch blieb alles besagte Kunst. Lisa Eckharts Mission ist die Abrechnung mit der Gesellschaft, scharfzüngig und Bitterböse. Das, was der Mensch in seinem tiefsten Innern vielleicht möchte, aber nicht auszusprechen oder vielleicht nicht einmal zu denken wagt, Lisa Eckhart bringt es auf die Bühne. Aber was tun als Zuhörer? Klatsch man den verdienten Beifall, könnte man sich als Freund der lasterhaften Aussagen outen. Geht das überhaupt auf dem Land? Kann man es durch Zustimmung gutheißen, wenn Eckhart der katholischen Kirche empfiehlt, als besagten und verteilten „Leib Christi“ keine von einem Weihnachtsplätzchen abgenagte geschmacklose Oblate zu verteilen, sondern etwas, was eher an diesen Leib erinnerte. „Mett. Am besten eine große Portion.“ Ist es lustig, die Sternsinger mit den „katholischen Village People“ zu vergleichen? Scheinbar ja, denn das der rot illuminierte Saal zusammen mit der lebendigen Bühnenkunst, ließen die Hemmungen und Zurückhaltungen beim Lantershofener Publikum schnell verschwinden und in Begeisterung für die Vorstellung der Eckhart mit ihren bissigen Sätzen und der bemerkenswerten Bildhaftigkeit umschweifen. Wieder hatte sie ihre Zuhörer für sich eingenommen, um ihnen ihre Laster wie einen Spiegel vorzuhalten. Schnell wurde also klar, dass das Leben ohne den zu erwartenden Abgang in die Hölle langweilig und nicht länger lebenswert ist. Denn ohne die Strafe im Jenseits sind auch die Sünden ad absurdum geführt, es kann keine Verlockungen des Verbotenen mehr geben, kein verführerisches Laster und keine Lust. Das machte Lisa Eckhart mit einem für eine 26-jährige ausgesprochen stark ausgeprägten Selbstbewusstsein mehr als deutlich. Es war eine perfekte eigene Inszenierung, die der Österreicherin auf ihrer Missionsreise durch die Republik auch in Lantershofen stehende Ovationen bescherte. Gekommen war sie übrigens mit den besten Wünschen des Kabarettisten Torsten Sträter. Der hatte ihr erst wenige Tage vor dem Gastspiel auf der Grafschaft nach der Sendung „Nuhr im Ersten“ gesteckt, dass es in Lantershofen ein tolles Publikum gebe. Die Grüße Sträters gab sie gerne weiter.

Veranstaltungsankündigung

Die Vorteile des Lasters Es war nicht alles schlecht unter Gott. Gut war zum Beispiel, dass alles schlecht war. Denn alles, was man tat, war Sünde. Wir waren alle gute Christen und hatten einen Heidenspaß. Die Hölle zählte Leistungsgruppen, Ablässe waren das perfekte Last-Minute Geschenk und lasterhaft zu sein noch Kunst. Doch dann starb Gott ganz unerwartet an chronischer Langeweile. Und bei der Testamentsverlesung hieß es, wir wären alle von der Ursünde enterbt. Fortan war kein Mensch mehr schlecht, jedes Laster nunmehr straffrei und die Hölle wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. So fand der Spaß ein jähes Ende. Heute ziehen Eisfirmen, Elektronikgeschäfte und jedes zweite Schlagerlied die sieben Sünden in den Dreck, indem man sie zur heiligen Tugend erklärt. Gott befahl uns zu entsagen, Coca Cola zu genießen. Man hat uns alles erlaubt und somit alles genommen. Polyamorie versaute die Unzucht. All-You-Can-Eat Buffets vergällten die Völlerei. Facebook beschämte die Eitelkeit. Ego-Shooter liquidierten den Jähzorn. Wellnesshotels verweichlichten die Trägheit. Sie alle haben’s schlecht gemeint. Doch schlecht gemeint ist bekanntlich das Gegenteil von schlecht. Und kein Zweck heiligt das Mittelmaß. Darum gilt es, die Sünden neu zu erfinden. Wie widersetzt man sich der Spaßgesellschaft ohne den eigenen Spaß einzubüßen? Wie empört man seine Umwelt ohne als Künstler verleumdet zu werden? Wie verweigert man sich dem Konsumerismus ohne auf irgendetwas zu verzichten? Wie verachtet man die Unterhaltungsindustrie ohne Adorno schmeichelnd ans Gemächt zu fassen? Wie wird man zum Ketzer einer säkularisierten Welt?
  • Seien Sie neidisch auf andere, doch anstatt ihnen nachzueifern, ziehen Sie sie auf Ihr Niveau. Seien Sie träge und zeigen Sie Ihrem Partner, wer in der Beziehung die Windeln anhat.
  • Seien Sie jähzornig und beschimpfen Sie Werner Herzog.
  • Seien Sie wollüstig und beschränken Sie sich nicht auf die zwei, drei Abgründe Ihres Körpers. Seien Sie eitel und entreißen Sie Ihre Schönheit dem trüben Auge des Betrachters.
  • Seien Sie geizig und teilen Sie nicht länger brüderlich wie Kain den Schädel seines Bruders. Seien Sie maßlos in allem, nur niemals der Mittelmäßigkeit.
Links: www.lisaeckhart.com
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