18.02.2022: LA SIGNORA

Ein bunter Vogel im schwarzen Geierkostüm

Aus der Musikerin La Signora ist eine Meisterin der Stand-up-Comedy gewordenen

Schon seit Jahresbeginn ist dann, wenn der Verein Kulturlant in den Lantershofener Winzerverein zu einem seiner kulturellen Abende einlädt, wieder vieles beim Alten. Zwar gibt es immer noch eine Maskenpflicht bis zum Platz mit Ausnahme des Verzehrs, am Eingang wird zudem akribisch von Verein und Rotem Kreuz der Impfstatus kontrolliert, aber Abstände, verbotene Sitzplätze oder ähnliches gibt es nicht mehr. „Wir gehören mit unserer Sitzplatzkapazität von 250 Plätzen zur Gruppe der Kleinveranstaltungen bis 2.000 Personen und setzen das um, was Politik uns erlaubt und die Vereinsmitglieder gutheißen“, sagen die beiden Vorsitzenden Marie-Luise Witsch und Udo Rehm unisono. Das sorgte im Januar noch für Skepsis beim Publikum, manch einer ließ sein Ticket verfallen, Stühle blieben leer. Inzwischen ist das nicht mehr so, auch am vergangenen Freitag kamen die meisten derer, die eine Eintrittskarte erworben hatten, um sich das Gastspiel „Allein unter Geiern“ der Oberhausener Künstlerin Carmela de Feo, die als „La Signora“ auftritt, anzuschauen.

Knapp 200 Gäste erlebten einen fulminanten Abend. Viele von ihnen sahen La Signora nicht zum ersten Mal, einige waren bereits vor viereinhalb Jahren dabei, als die zierliche Akkordeonspielerin mit italienischen Wurzeln schon einmal in Lantershofen zu Gast war. Sie durften eine unheimliche Entwicklung der Sängerin, Schauspielerin und Komödiantin mit dem Haarnetz als Markenzeichen feststellen. Die Musik hatte im Programm etwas weniger Platz eingenommen und zum Akkordeon griff sie nicht mehr allzu oft. Dafür hatte La Signora die Stand-up-Comey für sich entdeckt. Die Zuschauer besonders in den vorderen Reihen dürften schon geahnt haben, dass sie Teil des Programms sind, denn La Signora ließ das Saallicht nicht löschen. Schnell hatte sie ihre „Opfer“ ausgemacht: die Großfamilie mit Adoptivanhang, das Paar, das schon 60 Jahre zusammen war oder die jungen Frauen, die gar nicht verstanden, über was La Signora sprach, wenn sie Werbetexte aus den 1980er Jahren rezitierte. Das Gros im Saal konnte da indes mitsingen.
Irgendwie bekam zumindest in den vorderen Reihen jeder sein Fett weg: hässliche Männer, die man am karierten Hemd erkennt, Frauen, die trinken, um ihr eigenes Spiegelbild ertragen zu können. Alle Klischees schienen an dem Abend ihre Vertreter in den Lantershofener Saal entsendet zu haben. Sie erlebten keineswegs ein reines Frauenprogramm, sie alle mussten sich als Leidtragende ansprechen lassen, die sich zwei Corona-Jahre lang gehen ließen. „Ich ziehe seltsame Leute an“, stellte die Künstlerin fest, dass der Körper der Frau nicht nur aus Gehirn und Besserwisserei bestehe. Überhaupt geizte „La Signora“ nicht mit den wildesten Anspielungen gegenüber ihren Gästen. Jedoch waren diese nie verletzend, sorgten aber für großes Amüsement im Publikum. Selbst als die Kabarettistin plötzlich der Meinung war, nur noch einer Horde Verbrechern gegenüberzusitzen, deren kriminelle Energie sie bis auf die Bühne zu spüren bekam. Nur ihr konnte man nichts abnehmen, denn „der Zahnstein ist mein einziger Schmuck, mehr brauche ich nicht.“

Fast zweieinhalb Stunden jagte das Energiebündes aus dem Ruhrpott über die Bühne im Winzerverein, sprach, sang und nahm ihr Publikum auf die Schippe, ohne sich selbst dabei auszulassen. Denn auch La Signora ist irgendwie komisch, hat den Montag als Lieblingstag erkoren, weil da die Post kommt. Sie wünscht sich einen Cordrock, wie ihn jedes normale Mädchen trägt und hört gerne Schlager – die Apothekenumschau zum Hören. All das durften sich am Ende restlos begeisterte Zuschauer anhören und dankten La Signora mit stehenden Ovationen.

Veranstaltungsankündigung

Seit Jahren ist La Signora in Sachen Unterhaltung auf den morschen Brettern, die die Welt bedeuten, unterwegs. Ob auf einem toten Esel zum Erfolg oder mit einem lahmen Gaul durchs Leben, La Signora ist für jede Situation mit ihrem Friedhofsmodenchic perfekt gekleidet.

Klein, Hummeltaille und Haarnetz! Tödliche Gags pflastern ihren Weg, die Leute geiern sich einen ab, aber nach der Show kräht kein Aas mehr nach ihr. Wie allein kann man sein, wenn selbst die Geier nicht mehr über einem kreisen? Die Rabattmarke des deutschen Kabarett zeigt in ihrem neuen Programm: Allein unter Geiern, dass Schicksal durchaus Spaß machen kann.

Wenn das Leben in ruhigen Bahnen verläuft, ist La Signora zur Stelle und stellt die Weichen auf Chaos. Atheisten werden gläubig und Heilige fallen der Wollust anheim. La Signora ist eine anbetungswürdige Verführerin, aber auch eine verführte Angeberin. Wo andere sich bemühen abzunehmen, legt La Signora noch einen drauf. Justitia ist blind, aber die Schicksalsgöttin mit ihren neapolitanischen Hühneraugen hat den Durchblick.

Keine Angst, was immer das Leben für einen bereit halten mag, ob Lottogewinn oder Unfall, dank La Signora ist der Unterschied gar nicht so groß. Doch allen Geiern sollte klar sein: Um sich auf eine Henkersmahlzeit zu freuen, braucht man schon eine gute Portion Galgenhumor! Außerdem, wahre Schönheit kommt von innen! Und wenn nicht, dann setzt man sich eben allein unter Geiern ein Haarnetz auf!

La Signora – Nie eingeladen, aber überall dabei.

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